Silberband 029 - Der Zeitagent
Medoroboter schwenkte seine vier dünnen Arme über den Rand des Beckens. Die Verschlüsse
des Helms klickten. Omar atmete tief ein. Er ignorierte die helfend ausgestreckten Hände einiger
Assistenzärzte, packte den Rand des Behälters und schwang sich hinaus.
Dr. Ralph Artur war einen Schritt zurückgetreten. Mit durchdringendem Blick musterte er den
athletischen Körper seines Patienten. Omar wurde verlegen ob seiner Nacktheit. Er spürte in den
Blicken der Assistenzärzte die Bewunderung, den Neid – und den unverhohlenen
Widerwillen.
Der Chefmediziner räusperte sich.
»Sie sind Oxtorner der vierten Generation?« Ohne eine Antwort abzuwarten, fuhr er fort:
»Welche Schwerkraft herrscht auf Ihrem Planeten?«
»Vierkommaacht Gravos«, erwiderte Hawk. »Luftdruck acht Atmosphären.«
Artur legte den Kopf schief und sah seine Assistenzärzte lauernd an.
»Der junge Mann redet gern, was? Oder hatte ich ihn nach dem Luftdruck seiner Welt
gefragt?«
»Nein, Sir!« erwiderte ein pausbäckiger, feister Mann.
Doc Arturs Gesicht verzog sich zu einer hämischen Grimasse.
»Das ist der Unterschied zwischen euch beiden. Ihnen muß man jede Antwort aus der Nase
ziehen!«
Ruckartig fuhr er wieder zu Hawk herum.
»Hatten Sie etwas gesagt, Oxtorner?«
»Ich erlaubte mir zu lachen!«
»Soso …!« brummte der Mediziner. »Er erlaubte sich zu lachen, wenn ein ernster Mann
ernste Sachen ausspricht.« Abrupt wechselte er das Thema. »Heben Sie bitte die Arme! So ist es
gut … und wieder hoch. – Haben Sie Schmerzen, wenn Sie sich bewegen?«
Omar Hawk schüttelte den kahlen Schädel. Seine hellbraune, lederartige Haut begann ölig zu
glänzen, ein ganz natürlicher Vorgang der Normalisierung aller Körperfunktionen.
»Keine Schmerzen. Ich fühle mich so wohl, wie ich mich noch nie …«
»Zum Donnerwetter!« brauste Doc Artur auf. »Wie wohl Sie sich zu fühlen haben, bestimme ich!
Steigen Sie in den Funktionsprüfer, aber ein bißchen schnell!«
Omar war nicht leicht zu kränken. Dennoch mißfiel ihm der Ton des Chefarztes. In einer
Trotzreaktion, die ihm gar nicht bewußt wurde, sprang er in den Funktionsprüfer, anstatt behutsam
einzusteigen. Krachend riß die Bodenplatte aus den Stahlhalterungen und polterte herab.
Haltsuchend klammerten sich Hawks Finger um einige kostbare Geräte. Umhüllungen barsten, Glas
splitterte, Kabel rissen. Aus den Sicherungsautomaten des Gerätes zuckten blauweiße Blitze, dann
erloschen sämtliche Kontrollampen.
Schuldbewußt kroch Omar aus den Trümmern hervor. Dabei stieß er versehentlich mit der Schulter
gegen das Kontrollpult und schob es mitsamt den Metallplastiksäulen zur Seite.
Verwirrt starrte er anschließend den flüchtenden Assistenten nach, die an der Tür eine
unentwirrbare Traube bildeten. Nur Dr. Ralph Arthur war stehengeblieben. Mit hochgezogenen Brauen
erwartete er den Oxtorner.
»Es … es tut … mir leid, Doc«, erklärte Hawk betreten.
Arturs Stimme triefte vor Sarkasmus, als er erwiderte:
»Angesichts dieser überzeugenden Demonstration Ihrer physischen Kräfte können wir wohl auf den
abschließenden Test im Funktionsprüfer verzichten.« Er räusperte sich. »Was ohnehin nicht mehr
möglich wäre …«
Ganz überraschend übermannte ihn eine der seltenen Anwandlungen zur Selbstkritik.
»Ich gestehe, daß ich mich schuldig fühle an Ihrer folgenschweren Reaktion, Oberleutnant. Aber
das heißt noch lange nicht, daß ich Sie etwa noch länger behandeln würde, Sie … Sie lebender
Roboter! Gehen Sie mir aus den Augen!«
Omar blickte an sich herab und bewegte die nackten Zehen.
Doc Artur grinste – und hüstelte anschließend, als wäre ihm ein unverzeihlicher Fauxpas
unterlaufen.
»Ihre Sachen befinden sich im Vorraum, Hawk. Bei dieser Gelegenheit dürfen Sie gleichzeitig
den Herren Assistenten behilflich sein, ihre angstschlotternden Gliedmaßen zu entwirren.«
Omar neigte den Kopf. Zögernd, fast schüchtern, streckte er die Hand.
»Ich möchte mich bei Ihnen für die ausgezeichnete Behandlung bedanken, Doc …«
Artur sah ihn so verblüfft an, als hätte Hawk in einer unbekannten Sprache gesprochen. Doch
dann leuchtete sein Gesicht auf, und er ergriff die Hand des Oxtorners.
»Aber vorsichtig!« mahnte er. »Und … ähem … machen Sie sich keine Gedanken mehr über
den beschädigten Funktionsprüfer. Die Untersuchungen Ihres Organismus waren für die Mediziner
wertvoller als ein paar Geräte.« Er
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