Silberband 038 - Verschollen in M 87
Vibration pflanzte sich in ihnen fort und war Hunderte von Kilometern in gleicher Lautstärke zu
hören.
Neue Gänge zweigten ab, und die beiden Teleporter folgten ihnen. Mehr als zwei Stunden
wanderten sie durch das unterirdische Labyrinth und fanden immer wieder Skelette. Der ganze
Planet war nichts anderes als ein riesenhaftes Gefängnis mit unvorstellbaren Schutzmaßnahmen. Zum
Glück für die beiden Teleporter waren diese Schutzmaßnahmen im Augenblick außer Betrieb. Aber sie
konnten nicht wissen, ob und wann die Automatik aufwachte und ihre Gegenmaßnahmen einleitete. Von
einer Sekunde zur anderen konnte sich das ganze Gefängnis mit technischem Leben anfüllen. Roboter
konnten aus verborgenen Räumen hervorbrechen und sie angreifen. Von der Decke konnten
Strahlvorhänge schießen und sie einschließen. Die phantastischsten Dinge konnten geschehen.
Die fehlende Atmosphäre hatte dafür gesorgt, daß die Skelette einwandfrei erhalten blieben.
Auch auf dem Edelstahl gab es nicht einen einzigen Rostfleck. Ras Tschubai schätzte, daß sie
bisher rund hunderttausend Skelette gesehen hatten. Sie hatten aber nur einen ganz kleinen Teil
des unterirdischen Gefängnisses kennengelernt. Wenn der ganze Planet ausgehöhlt war, wie Fancan
Teik angedeutet hatte, mußten hier viele Millionen Haluter eines gewaltsamen Todes gestorben
sein.
Es war eine grauenhafte Vorstellung.
»Diejenigen«, sagte Ras Tschubai, »die dieses Gefängnis bauten, müssen ganz genau gewußt
haben, wen sie darin einsperren würden. Die ganze Konstruktion weist darauf hin, daß sie die
merkwürdigen Eigenschaften der Haluter kannten. Einfache Stahlwände genügten nicht. Es mußten
ungeheuer dicke Wände von großer Widerstandskraft sein. Und dann überall die Strahlensicherungen.
Außerdem die Höhe der Gänge, ihre Breite, die Größe der Eingänge und Zellen. Für mich steht es
zweifelsfrei fest, daß die Erbauer dieses Planetengefängnisses diese ganze Anlage nur zu dem
Zweck errichteten, um die Haluter auszurotten. Ich weiß nicht, ob wir jemals den Grund dafür
erfahren werden. Aber ich erinnere mich daran, mit welcher Grausamkeit die Haluter beim Versuch,
die Milchstraße zu erobern, vor 50.000 Jahren vorgingen und alle Welten vernichteten, die sich
ihnen in den Weg stellten. Sollte es hier ähnlich gewesen sein? Sollte es sich um einen Racheakt
handeln? Dann allerdings könnte ich diesen Planeten und seinen Zweck verstehen.«
Gucky stand mit dem Rücken gegen die Wand. Auf der anderen Seite des Ganges war wieder ein
Verlies mit Skeletten. Nachdenklich starrte er darauf.
»Die Haluter haben sich gewandelt. Einst mögen sie grausam gewesen sein, aber heute sind sie
friedlich, wenn auch sehr abenteuerlustig. Das sieht man ja an Tolot und Teik. Sie sind unsere
Freunde geworden. Und ich glaube, das zählt. Wir müssen versuchen, dieses Geheimnis hier
zu lösen.«
Sie gingen weiter und ahnten nicht, daß auf der Oberfläche in dieser Sekunde das Unheil
begann.
Iwan-Iwanowitsch Goratschin ging unruhig in der Kommandozentrale des
Haluterschiffes auf und ab. Einige Versuche hatten ergeben, daß die Energie des Schiffes noch
immer abgezapft wurde. Die Lufterneuerungsanlage funktionierte aber einwandfrei. Man hatte es
also nicht auf ihr Leben abgesehen.
Noch nicht!
Die Hügelkette lag fünfzehn Kilometer vom Raumschiff entfernt. Der höchste Gipfel war ein
wenig abgeflacht und bildete ein Plateau von etwa einhundert bis einhundertzwanzig
Quadratkilometern. Auf dieser Ebene stand ein zehn Meter hoher Turm. Er bestand aus einem
Stahlgitter, an dessen höchstem Punkt eine Kugel von einem halben Meter Durchmesser saß. Diese
Kugel schimmerte silbern im Licht der Sonne und der Sterne.
Aber sie schimmerte nicht nur, weil sie Licht reflektierte.
Die Kugel war ein Individual-Schwingungsorter.
Als der Haluter Fancan Teik das Schiff verlassen und die Stahlschleuse gefunden hatte, waren
seine typischen Individual-Ausstrahlungen von der Kugel geortet worden. Diese hatte ihre
Wahrnehmungen weitergeleitet und das Alarmsignal ausgelöst. Die Tatsache jedoch, daß es auf
diesem Planeten seit Jahrzehntausenden keine lebenden Haluter gegeben hatte, verzögerte die
Arbeit der Warncomputer. Es gab unzählige Rückfragen an die tief im Innern befindliche Zentrale.
Gespeicherte Daten und Fakten wurden hervorgeholt und ausgewertet. Das Ergebnis besagte
einwandfrei, daß es auf dieser Welt keine lebenden Haluter mehr
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