Silberband 038 - Verschollen in M 87
offene Schleuse drang kühle Nachtluft ins Innere des Diskusschiffs. Eine genaue
Analyse hatte ergeben, daß die Atmosphäre Truktans für Menschen atembar war.
»Wir funken nur, wenn wir in Not sind«, sagte Marshall von der Schleusenkammer aus. »Werden
Sie nicht unruhig, wenn es ein bißchen länger dauert.«
Ich bin jetzt schon unruhig, dachte Kulu grimmig.
Er vernahm ein seltsames Geräusch, als würde jemand mit den Fingernägeln über Metall
kratzen.
Marshalls oder Malvas Stiefelsohlen hatten den Rand der Schleuse berührt, als die beiden
Männer abgesprungen waren.
Tschai Kulu versuchte sich vorzustellen, wie sie nebeneinander durch die Nacht flogen, zwei
einsame und entschlossene Männer in der fremdartigen Umgebung eines rätselhaften Planeten.
Marshalls parapsychische Sinne waren auf die verschiedenartigen
Bewußtseinsströmungen eingestellt, die aus der Plantage kamen. Es war schwer für den Mutanten,
bestimmte Gefühle zu lokalisieren, aber er glaubte, in dem Durcheinander an Gedankenmustern
Emotionen zu erkennen, die sich immer wiederholten. Er fühlte die Zufriedenheit von Arbeitern,
die ihre Aufträge erfüllt hatten und die nun in ihren Unterkünften schliefen. Dazwischen mischten
sich Erheiterung und Spannung jener, die irgendeiner Beschäftigung nachgingen. Außerdem spürte
Marshall eine nie ermüdende Wachsamkeit der blauhäutigen Aufseher.
Er beschleunigte, bis er direkt neben Malvas flog.
»Es wird schwer sein, einen Blauen zu fangen«, sagte er leise. »Die Burschen sind auch während
der Nacht vorsichtig. Wenn mich nicht alles täuscht, wohnen sie nicht mit den Arbeitern zusammen.
Von ihrer Unterkunft aus unternehmen sie ständig Wachgänge durch die Felder.«
»Damit mußten wir rechnen«, antwortete Malvas.
Marshall konnte das Gesicht des Spezialisten nicht erkennen, und es widerstrebte ihm, sich in
die Gedanken des Mannes einzuschalten, um herauszufinden, ob er Angst hatte.
In unmittelbarer Nähe Marshalls entstand ein kleines helles Viereck: Malvas hatte den
tragbaren Infra-Orter kurzfristig eingeschaltet.
»Nirgends sind einzelne Impulse«, stellte Malvas enttäuscht fest. »Links von uns bewegen sich
drei Wesen. Ich nehme an, daß es Aufseher bei einem Kontrollgang sind.«
Marshall überlegte. Es war zu gefährlich, drei Blaue gleichzeitig anzugreifen. Außerdem würde
das Verschwinden von drei Personen zuviel Aufsehen erregen.
»Wir müssen es auf der anderen Seite der Gebäude versuchen«, entschied Marshall.
»Halten Sie das nicht für zu gefährlich?«
»Natürlich ist es gefährlich. Aber was sollen wir tun? Wir müssen einen Blauen finden, der
allein unterwegs ist.«
Malvas schwieg. Sie flogen weiter. Tschai Kulu würde ihnen mit dem Diskusschiff ständig
folgen.
Als sie über die Häuser dahinflogen, schaltete Malvas das Ortungsgerät aus, denn jetzt kamen
so viele Impulse durch, daß es unmöglich war, den Aufenthaltsort eines einzelnen Wesens zu
bestimmen.
Verschiedene Geräusche drangen von den Unterkünften der Plantagenarbeiter zu ihnen herauf.
Wieder schaltete Marshall seine telepathischen Sinne in die Vielzahl der mentalen Strömungen ein.
Die Intelligenzen, die sich in den Gebäuden aufhielten, schienen mit ihrem Los zufrieden zu sein.
Sie beschäftigten sich in Gedanken mit der Arbeit, die sie verrichtet hatten und die sie am
nächsten Tag erledigen wollten. Hinzu kamen eine Reihe anderer Gefühle. Wenn Marshall erwartet
hatte, das eine oder andere Wesen würde sich innerlich mit der Festung oder gar mit dem Skoarto
beschäftigen, so sah er sich enttäuscht.
Er hoffte, daß dies bei den Aufsehern anders war. Die Wohnungen der Blauen lagen auf der
anderen Seite der Plantage. Marshall wollte jedoch nicht riskieren, diese Gebäude direkt
anzufliegen, denn es war immerhin möglich, daß die führende Kaste Ortungsgeräte besaß.
»Hören Sie?« fragte Malvas. »Das scheint Musik zu sein!«
Marshall vernahm ein seltsames Gemisch von Tönen, die unbekannten Instrumenten entlockt
wurden. Die Musik klang weder melodisch noch angenehm, aber trotzdem beeindruckte sie Marshall.
Unsichtbare Wesen stimmten zu den Klängen der fremdartigen Instrumente einen schwermütigen Gesang
an.
»Bei allen Planeten!« sagte Malvas. »Hören Sie das?«
»Ja«, sagte Marshall knapp.
»Ich bin froh, daß ich nicht allein bin«, gab Malvas zu. »Dieses Geheule ist dazu geschaffen,
harmlose Gemüter zu erschrecken.«
»Schalten Sie wieder das
Weitere Kostenlose Bücher