Silberband 042 - Das Zeitkommando
gegossene Verkleidung bedeckte den Koloß und schimmerte silbrig im Schein der Fluoreszenzplatten, aus denen die Kuppel bestand. Rings um den Fuß des Zylinders waren Nischen in die Verkleidung eingepreßt. Jede Nische enthielt eine umfangreiche Schaltkonsole, von der aus ein Programmierer der Maschine seine Probleme vorlegen konnte. Die Halle enthielt nichts als den Maschinenkoloß. Der lemurische Architekt hatte den Raum so geschaffen, daß die Maschine ihn beherrschte und nichts den Eindruck ihrer Größe und Macht stören konnte.
Rhodan brachte den Shift am Fuß des Kolosses zum Halten und stieg aus. Die Räume der Rettungszentrale enthielten erwartungsgemäß eine atembare Sauerstoffatmosphäre.
Plötzlich kam aus unsichtbaren Lautsprechern ein Stöhnen. Über einer Nische blinkte es, und Barnards Stimme erklang, leise und gebrochen:
»Ich bin am Ende meiner Kräfte – und es gibt nichts, was Sie tun könnten, um mir zu helfen. Mehr als das – ich lehne jede Hilfe ab. Ich habe mein Ziel erreicht oder werde es erreicht haben, sobald der Großadministrator die Güte hat, sich für mich ein letztes Mal zu identifizieren. Es muß leider sein, Sir. Bitte, treten Sie näher, Sir!«
Perry Rhodan wandte sich zur Seite und trat in die Nische. Er sah, daß die Einbuchtung größer und geräumiger war als alle anderen. Außerdem enthielt sie keine Schaltkonsole, sondern ein einfaches, solides Podest, auf dem ein Tank mit transparenten Wänden stand. Aus den Seiten des Tanks drangen zwei zylindrische Rohre, wahrscheinlich Kabelschächte, die in der Verkleidung der Positronik verschwanden. Die Seitenwände des Tanks waren von beachtlicher Dicke und enthielten ohne Zweifel komplizierte, positronische Geräteanordnungen, die aus dem Innern des Behälters Impulse aufnahmen, um sie zu verarbeiten und an die Maschine weiterzuleiten.
All das nahm Rhodan mit einem flüchtigen Blick wahr. Dann konzentrierte er sich auf den Inhalt des Tanks, und sein Herz stockte einen Augenblick, als er erkannte, was er vor sich hatte.
Der Tank war mit einer rötlichen irisierenden Flüssigkeit gefüllt. Inmitten der Flüssigkeit schwebte ein unregelmäßig geformtes Gebilde, dessen Umrisse infolge des irisierenden Leuchtens verwaschen erschienen. Sie blieben dennoch charakteristisch und erlaubten keinen Zweifel an der Identität des in der Flüssigkeit suspendierten Objekts.
Es war ein Gehirn.
Das Gehirn eines Mannes, der vor fünfzigtausend Jahren durch diese Hallen gegangen war.
Gus Barnards Gehirn.
Alle hörten, was Barnard zu sagen hatte.
»Ich identifiziere Sie hier vor mir definitiv als Perry Rhodan, den Großadministrator des Solaren Imperiums.« Die mechanische Stimme vermochte nicht, die Emotionen wiederzugeben, die Gus Barnards Bewußtsein in diesem Augenblick beseelten; aber Rhodan glaubte sie körperlich zu spüren. Er erschrak vor dem Versuch, sich auszumalen, wie ein Mann empfinden mußte, der Jahrzehntausende lang auf etwas Bestimmtes gewartet hatte und seine Erwartung endlich, endlich erfüllt sieht.
»Mir bleibt nicht viel Zeit«, fuhr die Stimme fort. »Wer weiß, wie lange ich noch in der Lage sein werde, mich Ihnen verständlich zu machen. Deswegen das Wichtigste in Kürze.
Verlassen Sie diese Halle durch das Portal, das dem Eingang gegenüberliegt. Sie gelangen in den sogenannten Saal der Erhaltung. Unmittelbar rechts neben dem Portal befindet sich eine umfangreiche Schaltkonsole. Aktivieren Sie sie. Sie ist automatisch programmiert, so daß Sie keine Möglichkeit haben, Fehler zu machen. In dem Saal befinden sich außerdem einhundert stationäre Hyperfelder, die Ihnen als leuchtende, materielose Säulen erscheinen werden. Jedes dieser Felder enthält in hyperenergetischer Form die Körpermaterie eines lemurischen Wissenschaftlers. Die Schaltkonsole dient dazu, den Rematerialisierungsprozeß einzuleiten und zu steuern, bis das Hyperfeld erlischt und der konservierte Körper in seiner ursprünglichen Form wiedererstanden ist.
Rematerialisieren Sie einen Lemurer nach dem anderen – niemals mehr als einen auf einmal. Der Prozeß ist kompliziert und wenig erprobt. Ich kann für Erfolg nicht garantieren – aber die Statistik steht auf Ihrer Seite.«
Rhodan schauderte bei dem Gedanken, wie mit dem Begriff ›Statistik‹ die Schicksale von Wesen beiseite geworfen wurden, die sich vor Jahrhunderten dem Entstofflichungsprozeß anvertraut hatten in der Hoffnung, nach Ablauf ihrer Wartezeit wieder zum Leben erweckt
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