Silberband 042 - Das Zeitkommando
in höflichem, aber bestimmtem Tonfall gegeben:
»Mein lieber Hosessos, regen Sie sich nur nicht auf. Ich verzeihe Ihnen ja, daß Sie mich aus dem Schlaf rissen, aber kommen Sie mir nur nicht mit lächerlichen Beschwerden. Ich kenne Ichtrac sehr gut, und ich weiß, daß er niemals daran denken würde, Ihnen absichtlich Ärger zu bereiten. Aber er ist Wissenschaftler und kein Soldat. Es muß ihm von Natur aus schwerfallen, sich an Ihre Dienstgebräuche zu gewöhnen. Lassen Sie ihn doch gewähren, dann haben Sie auch keinen Ärger. Seine Experimente sind für uns alle von größter Wichtigkeit. Das müssen Sie einsehen.«
»Wichtigkeit!« Der Kommandant schnaufte verächtlich. »Möchte wissen, was daran so wichtig ist, wenn Ichtrac Gegenstände und Menschen in die Vergangenheit schickt. Er stiftet damit doch nur Verwirrung bei unseren Vorfahren und …«
»Es wäre zu kompliziert, lieber Oberst, Ihnen erklären zu wollen, was ein Zeitparadoxon ist, aber Sie dürfen mir glauben, daß wir allein aus der Beobachtung der Vergangenheit eine Menge lernen und unsere Lehren ziehen. Einmischen dürfen wir uns natürlich nicht in die damaligen Geschehnisse, und etwas ändern schon gar nicht. Das ist oberstes Gesetz – aber Sie können sich darauf verlassen, daß Ichtrac sich daran hält. Nur unter dieser Bedingung darf er überhaupt arbeiten.«
»Das beruhigt mich ungemein, General.« Iza Hosessos schien in der Tat ruhiger zu werden, nachdem er sich seinen Ärger von der Seele geredet hatte. »Gibt es etwas Neues auf Scimor?«
»Nichts, Oberst. Wann schicken Sie das Kurierschiff?«
»Morgen, General. Und was ich über Ichtrac sagte – nehmen Sie es mir nicht übel. Aber es mußte mal raus, Sie verstehen?«
»Ja, ich verstehe. Behandeln Sie ihn wie einen Zivilisten, und Sie werden sehen, wie gut Sie dann mit ihm auskommen. Er ist nun mal kein Soldat, das kann ich nicht oft genug wiederholen. Und nun möchte ich schlafen.«
»Gute Nacht, General. Das Kurierschiff geht so bald wie möglich ab.«
Der Bildschirm erlosch. Hosessos starrte noch eine Weile auf die matt gewordene Scheibe, dann lehnte er sich zurück und schloß die Augen.
Kommandant eines Stützpunktes, der wohl niemals benötigt werden würde – das war er. Abgeschoben auf ein Nebengleis, nichts weiter.
Und er ahnte in dieser Sekunde noch nicht, wie schnell sich das alles ändern sollte …
Nayn Ichtrac, der geniale Konstrukteur des Zeittransmitters, bereitete ein neues Experiment vor. Diesmal beschloß er, sich selbst in die Vergangenheit zurückzuversetzen und mit Hilfe der Automatik nach einer genau berechneten Frist selbständig zurückzukehren – in die Gegenwart. Er wollte einen Zeitpunkt wählen, der weit vor der Landung der ersten Lemurer auf diesem Planeten lag. Da aber der Transmitter nur eine Leistungsfähigkeit von fünfzehntausend Jahren besaß, mußte er eine noch nicht ausprobierte Wiederholschaltung in Kauf nehmen. Er war nicht ganz sicher, ob seine Theorie in dieser Hinsicht stimmte.
Natürlich hätte er auch seinen Assistenten schicken können, aber der Versuch reizte ihn viel zu sehr, als daß er darauf verzichtet hätte, unmittelbar Beteiligter zu sein.
»Sie können sich auf mich verlassen, Nayn Ichtrac«, versicherte Asi Movogt, der erste Assistent des Wissenschaftlers. »Sollte die automatische Wiederholschaltung nicht rechtzeitig einsetzen, werde ich die Kontrollen manuell betätigen. Wir haben alles genau durchgerechnet, und es gibt keinen Fehler.«
»Der Transmitter – vergessen Sie das nicht! – muß seine Energien für die zweite Versetzung aus seiner Relativzukunft nehmen. Genau dasselbe gilt für die dritte und vierte. Aber es muß möglich sein, weil das Gerät ja in dieser Zukunft, also in unserer Gegenwart, real existiert. Wir verstoßen gegen keins der bekannten Naturgesetze.«
Asi Movogt, der die Meßinstrumente keine Sekunde aus den Augen ließ, stutzte plötzlich. Er betrachtete die zitternden Zeiger auf den Skalen genauer, dann wurde er plötzlich blaß und wich zurück. Erschrocken deutete er auf die Kontrollen.
»Was ist das, Meister? Der Transmitter arbeitet …«
Nayn Ichtrac hatte das Erschrecken seines engsten Mitarbeiters wohl bemerkte, beherrschte sich aber. Er ahnte bereits, was geschah, aber sein Verstand weigerte sich, das Ungeheuerliche zu fassen. Natürlich hatte er immer damit rechnen müssen, daß eines Tages der Zeittransmitter von Leuten in Betrieb genommen wurde, die heute noch gar
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