Silberband 046 - Der Todessatellit
durchstoßen wir das Antitemporale Gezeitenfeld, in das sich unser Sonnensystem gehüllt hat«, bemerkte er. »Wir werden allerdings nichts davon spüren; dennoch halte ich es für außerordentlich interessant. Auf dem Nordpol Merkurs befindet sich die Schaltzentrale für das ATG-Feld sowie der Haupt-Gezeitenwandler, der seine Energien über einen Hypertronzapfer von den Hyperenergien der Sonne bezieht. Eine Paraverbundeinheit leitet dann die Hyperenergien zu den Antitemporalen Gleichrichtungskonvertern auf den neun Planeten und den Außensatelliten. Erst diese bauen das Antitemporale Gezeitenfeld auf und stabilisieren es. Sonst könnten wir uns in der Labilzone der Zukunft keine Millisekunde lang halten.«
»Das alles ist ein wenig verwirrend für einen Mann, der das Solsystem für vernichtet hielt«, murmelte Professor Floyd Jussow. »Immerhin glaube ich aus Ihren Worten entnehmen zu dürfen, daß das ATG-Feld ähnlich wie eine Paratronblase wirkt.«
Hubert S. Maurice nickte.
»Ich sehe, Sie haben erstaunlich schnell begriffen, Professor. Es gibt Menschen, deren Verstand diese Dinge für immer verschlossen bleiben werden.«
»Die Natur schützt ihre Geschöpfe«, gab Jussow zurück. »Wessen Geist an der Erkenntnis zerbrechen könnte, dem verschließt sich die Erkenntnis.«
Er beugte sich unwillkürlich vor, als das tiefrote Wabern plötzlich abriß und die Space-Jet in den leeren Weltraum hinausschoß. Gleichzeitig aktivierte Hubert S. Maurice die Impulstriebwerke. Das Diskusschiff erhob sich über den unablässig fließenden Containerstrom und den hellrot strahlenden Torbogen des Normzeit-Verteilers, der sich sechshundert Meter über der zweitausend Meter durchmessenden Plattform eines DINOSAURIER-Tenders wölbte.
Das große kugelförmige Raumschiff stand unter dem Energieschirm, der das Innere des Ringgebirges Ziolkowski überspannte. Die besondere Struktur des Energieschirms ließ ihn gleichzeitig als gigantischen Leuchtkörper wirken, der dem Dunkel der erdabgewandten Mondseite eine Insel der Helligkeit entriß. Allerdings gab es Tausende dieser Lichtinseln auf der Rückseite des Mondes; dennoch verrieten sie kaum annähernd, was sich an computergesteuerten Werften, Lagerhallen, Schächten, Tunnels und menschlichen Siedlungen unter der Oberfläche verbarg.
Professor Floyd Jussow saß neben dem Hyperphysiker Geoffry Abel Waringer auf dem Schalensessel einer Antigravplattform und sah zu dem Schiffsgiganten hinüber.
Selbstverständlich war die SUN DRAGON nicht das größte Schiff des Solaren Imperiums – seine fünfzehnhundert Meter Durchmesser reichten längst nicht an die zweitausendfünfhundert Meter eines Ultraschlachtschiffes der GALAXIS-Klasse heran –, aber auch eintausendfünfhundert Meter wirkten auf einen Menschen von außen immer wieder überwältigend.
»Das also ist der ›Sonnendrache‹, der den Todessatelliten der Unbekannten aufspüren soll …«, murmelte Floyd Jussow.
Waringer ließ die Worte in seinem Bewußtsein mehrmals nachhallen, bevor er ihren Sinn verstand. Er, der geniale Hyperphysiker, der relativ Unsterbliche, benötigte Zeit, um auf die Ebene normalen Denkens hinabzusteigen. Seine Gedanken bewegten sich meist in Dimensionen, die der normale Sterbliche innerhalb seiner kurzen Lebensspanne nur selten zu begreifen lernte.
Verlegen räusperte er sich, als er bemerkte, daß der Astrophysiker ihn fragend und ungeduldig anschaute.
»Keineswegs«, gab er zurück. »Die SUN DRAGON soll den Todessatelliten nicht aufspüren – sie muß ihn finden, wenn die solare Menschheit vor dem Untergang bewahrt werden soll.«
»Ich verstehe«, erwiderte Jussow leise, während er die komplizierten Automaten beobachtete, die an der bläulich schimmernden Terkonithülle des Schiffsgiganten auf und ab glitten und letzte Überprüfungen vornahmen; der Bau des Sonnenforschungsschiffes war längst abgeschlossen.
Er musterte die stählerne Ebene des Ringwalls. Hier gab es nicht einen Quadratmillimeter lunarer Materie. Selbst die inneren Flächen des Ringwallgebirges waren abgetragen und durch eine gigantische Mauer aus Terkonitstahl ersetzt worden, die in ihrem hohlen Innern Hunderte von starken Soft-Start-Projektoren, Feldleiterumhüllungen, Antigravschächten und Transporttunnels barg. Soeben öffnete sich am Grunde der Mauer ein Schott. Zwei Antigravplatten schwebten hinaus; auf einer standen vier Menschen, auf der anderen lagen Gepäckstücke.
Waringer steuerte seine Antigravplattform den
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