Silberband 050 - Gruelfin
gegenüber saßen in der kleinen Messe Merceile und Claudia Chabrol.
Claudia sagte bedauernd:
»Nun weilt er nicht mehr unter uns, der Gute.«
Roi nickte verständnisvoll und zerteilte eine Kartoffel zierlich und mit abgespreiztem kleinem Finger mit dem Messer.
»Sie meinen Ihren erfolglosen Romeo, teuerste Julia?«
»Ja. So ist es. Was wurde eigentlich wegen der Rückkehr der Schiffe vereinbart?«
Roi trank etwas von der warmen Milch, die er sich in einem Riesenglas geholt hatte.
»Atlan soll mit der MARCO POLO und den ausgeschleusten anderen Einheiten hierher zurückkommen, wenn er etwas erreicht hat. Auch wenn er nichts erreicht haben sollte, was jedoch bei den Kenntnissen, der Erfahrung und dem Können meines sehr verehrten arkonidischen Freundes nur sehr schwer vorstellbar ist.«
Merceile schien es nicht mehr zu schmecken, sie empfand mit Ovaron.
»Hierher?« fragte sie unschlüssig.
Roi erklärte:
»Ja. Denn mein nicht weniger verehrter Herr Vater will hier auf Atlan warten. Das Ziel Atlans ist wichtig: die Befreiung des Wissenden.«
Claudia schränkte ein: »Oder der Versuch dazu. Wann will Ovaron seinen Versuch starten?«
Roi sah auf die Uhr.
»In einer Stunde.«
Undeutlich fragte die dunkelhaarige Ärztin:
»Ist eigentlich etwas Neues herausgefunden worden … ich meine über den Cappin, von dem Patriarch Ybsanow besessen war?«
Roi atmete auf.
»Günstigerweise nicht, nein. Offensichtlich hat er sich zurückgezogen. Entweder hat er hier irgendwo ein Versteck, oder er hat sich vom Planeten selbst entfernt.«
»Und was ist mit Alaska Saedelaere?«
Roi sah Merceile in die Augen und sagte:
»Alaska, der ständig von den Mutanten beobachtet wird, reagiert völlig normal, er ist fraglos kein zweites Mal übernommen worden. Wir sollten zu Ende essen und dann hinunter ins Archiv gehen, beziehungsweise den Transmitter benutzen.«
»Merkwürdig, daß gerade heute diese Uralt-Speicherbank entdeckt worden ist.«
Roi schloß die Unterhaltung:
»Wir haben es mit zwei Verwundeten bezahlen müssen. Die Moritatoren hatten selbst keine Ahnung, daß es diesen Speicher gab. Die Takerer haben einfach einen Raum zugemauert, und nur die Anmessungen von Paladin ergaben, daß die Energiekabel durch die Mauer geleitet worden sind.«
Kurz darauf waren sie im Archiv.
Alle anderen Arbeiten waren abgebrochen worden; die mit Symbolen verzierten Stahltüren waren geschlossen, und der transportable Transmitter stand fünf Meter vom Eingang dieses Speichersaales entfernt. Inzwischen befand man sich auf der dritten Spiralbahn von unten aus gesehen.
Zehn Personen waren noch anwesend.
Der Rest befand sich in der CMP-1 und erholte sich. Die Teams waren bis an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit belastet worden.
Rhodan unterhielt sich mit Ovaron, als Roi und die beiden jungen Frauen ankamen. Ovaron drehte pausenlos an seinem Kommandoarmband, als wäre er ein aufgeregtes junges Mädchen, das an seinem Schmuck herumnestelte.
Waringer und Dr. Troyanos waren anwesend und hatten das uralte Positronen-Speichergerät aktiviert.
Gucky und Ras Tschubai standen in der Nähe und fragten sich, ob sie wieder eingreifen mußten.
Von Moritatoren war nichts zu sehen.
Paladin III und Icho Tolot standen rechts und links neben dem Eingang und bewachten ihrerseits das gesamte Team.
»Fangen wir an?« fragte Waringer leise.
»Ich bin bereit!« erklärte Troyanos.
Natürlich wurden hier keine einwandfreien Individualdaten erwartet, die nur Ovaron besitzen konnte, aber dafür hatte man sich mit großer Wahrscheinlichkeit etwas anderes ausgerechnet.
Das Armbandgerät.
In diesem Gerät war in beispielloser Miniaturisierung ein spezieller Funkschlüssel. Seine verschiedenen Frequenzabstimmungen konnten deswegen nicht nachgeahmt werden, weil ihre Kodierung eine Anzahl überstieg, die einer quadrillionenfachen Verschlüsselung entsprach.
Dieser Funkschlüssel war schon einmal aktiviert worden, nämlich, um die komplizierte Überwachungsmaschinerie des Saturnmondes Titan zum Öffnen des Depots zu bringen. Er sollte jetzt und hier eingesetzt werden.
»Los!« Waringer drückte einen Knopf.
Dann gab er eine lange Reihe von Befehlen ein. Auf einem riesigen, altertümlichen Bildschirm tauchten die ersten Datenfolgen auf, ausgedrückt durch die cappinschen Schriftzeichen, die inzwischen unzählige terranische Wissenschaftler fließend lesen konnten.
Ovaron näherte sich Waringer. Niemand sprach – gespannte Ruhe breitete sich aus.
Weitere Kostenlose Bücher