Silberband 052 - Exil im Hyperraum
bemerkte kleine und größere Meerestiere, die verzweifelt versuchten, dem Verderben zu entfliehen. Es gelang ihnen nicht, sosehr sie sich auch anstrengten.
Seiner Schätzung nach mußte er sich etwa dreihundert Meter unter dem Meeresspiegel befinden, als er unter sich Grund sah. Der langgezogene Strudel war deutlich zu erkennen. Wie ein breiter Silberstrom führte er senkrecht nach unten und endete in einem schwarzen Trichter.
Er war es, der das Wasser ansaugte.
Hamart wurde von plötzlicher Panik ergriffen. Damit hatte er nicht gerechnet! Wenn er einmal in den Trichter auf dem Grund des Meeres geriet, gab es keine Rettung mehr für ihn. Er würde ihn verschlucken und nie mehr herausgeben.
Oder doch …?
Der Grund kam schnell näher. Hamart spürte den Sog wie eine Riesenfaust, die ihn nach unten zog. Seine Schwimmbewegungen zeigten nicht den geringsten Erfolg. Unaufhaltsam näherte er sich dem Trichter.
Sein letzter verzweifelter Gedankenimpuls galt Guyl, dann stürzte er zusammen mit einem Schwall Meereswasser in den grundlosen Schacht, der zuerst senkrecht und dann schräg in das Innere des Planeten führte.
Die Strömung wurde schwächer, als der Schacht sich verbreiterte. Kanäle zweigten nach allen Seiten ab, so als hätten sie die Aufgabe, das Wasser in verschiedene Richtungen zu bringen. Bald war Hamart wieder in der Lage, gegen den Strom zu schwimmen. Aber es würde sinnlos sein, auf dem gleichen Weg wieder ins Meer zurückgelangen zu wollen. Wennschon, dann mußte es einen anderen Weg geben.
Ihn wollte er suchen.
Der Hauptkanal, in dem er verblieben war, endete in einem riesigen Sammelbecken, dessen Ausmaß er nicht abzuschätzen vermochte. Jedenfalls war die Strömung hier so schwach, daß sie kaum spürbar wurde. Von der Felsendecke herab kam ein schwaches, gleichmäßig strahlendes Licht.
Er schwamm so lange, bis er das Ufer des riesigen Sees erreichte, der nicht natürlichen Ursprungs sein konnte. Instinktiv sah sich Hamart in seiner Vermutung bestätigt, daß zwischen der Station und dem Wassergebirge ein Zusammenhang bestand. Der Strudel gehörte ebenfalls dazu.
Das Ufer war steil, aber nicht sehr hoch. Es gelang Hamart, über einige unebene Stellen, die er dem Einfluß des Meerwassers zu verdanken hatte, an Land zu klettern. Ein schmaler Steg, der um den ganzen See herumzuführen schien, nahm ihn auf. Dicht daneben begann die senkrechte Wand, die den See einschloß. Sie endete in der strahlenden Decke hoch über ihm.
Was geschah mit all dem Wasser, das von unbekannten Kräften in das Gebirge unter dem Meeresboden eingesogen wurde? Welchen Zweck erfüllte es? Hamart konnte es nicht wissen, und er wollte es auch gar nicht mehr wissen. Er wollte nur wissen, wie er hier wieder herauskam.
Es war zu spät, seinen waghalsigen Entschluß, den Strudel zu erforschen, zu bereuen.
Weiter vorn glaubte er eine Öffnung in der senkrechten Wand erkennen zu können, ähnlich einer geöffneten Tür oder dem Beginn eines Ganges in den Felsen hinein. Hamart faßte einen schnellen Entschluß. Viel konnte ihm nun nicht mehr passieren – nicht viel mehr als in der Kuppel.
Wenn es einen Ausweg gab, dann nur durch den Berg.
Der Pfad war feucht und schlüpfrig. Mehrmals wäre er beinahe abgerutscht und in den See gefallen. Das störte ihn weniger als die quälende Ungewißheit, ob Guyl seine Gedankensignale empfing und sich inzwischen auf den Weg machte, um ihm zu helfen. Umgekehrt jedenfalls erhielt er keinerlei Antwort von dem Kraken.
Vor dem Tunnel hielt er an.
Soweit er erkennen konnte, erstreckte er sich schnurgerade in den Felsen hinein, von der Decke her wieder schwach beleuchtet. Ein Ende war nicht abzusehen. Hamart sah noch einmal zurück zum See, dann betrat er den Gang, nachdem er einen lose herumliegenden Felsbrocken aufhob und mit der Faust umschloß. Eine primitive Waffe war immer noch besser als gar keine.
Er hatte inzwischen gelernt, wie man einen Roboter kampfunfähig machte.
Auch in dem Gang war der Boden feucht. Die Wände und die Decke, glatt und wie poliert, schienen in den ersten Zentimetern durchsichtig zu sein, denn Hamart konnte Luftblasen in ihnen entdecken. Er wußte nicht, was es war.
Bei der ersten größeren Abzweigung blieb er stehen. In welche Richtung sollte er sich wenden? Selbst sein sechster Sinn kam ihm nun nicht mehr zu Hilfe, denn er hatte während seiner Reise in die Unterwelt die Orientierung verloren. Er hätte nicht mehr zu sagen vermocht, wo der
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