Silberband 054 - Finale für Pluto
sehen.«
Rpola sagte dumpf: »Ich habe mich daran gewöhnt. Aber Ihre Mutter sieht wirklich schlimm aus.
Sie muß weit über Zwanzig sein.«
Jemand hämmerte von draußen gegen die Tür. Rpola schrie hinaus, daß er jetzt nicht gestört
werden wollte.
Entschuldigend sagte er zu Pentschypon-Kala 896: »Heute stehen acht Alte auf unserer Liste.
Die Männer haben Angst, daß wir es nicht schaffen könnten.«
»Karmin!« flüsterte Pentschypon-Kala 896. »Was habe ich ihr angetan?«
»Was werden Sie jetzt tun?« fragte Rpola sachlich. »Jetzt, da der Fall bekannt geworden ist,
müssen Sie etwas unternehmen.«
»Bringt sie in den Konverter!«
Rpola zögerte.
»Sie wissen, daß der Henker sie nicht anzunehmen braucht. Der Henker ist autark. Er braucht
keine Befehle entgegenzunehmen – auch von Ihnen nicht.«
In diesem Augenblick bedauerte Pentschypon-Kala 896. daß er sich nie mit dem Henker
auseinandergesetzt hatte. Wie alle anderen Besatzungsmitglieder hatte auch er eine ausgeprägte
Scheu vor diesem unheimlichen Mann mit der Kapuze. Nur einmal hatte er den Henker aus der Ferne
gesehen, als dieser sich in einem Depot mit Nahrungsmitteln versorgt hatte. Der Raumfahrer, der
den Konverter bediente, kam nur selten aus seinen Räumen im unteren Teil des Schiffes hervor.
»Er wird sie in den Konverter bringen, wenn er erfährt, daß es meine Mutter ist«, sagte
Pentschypon-Kala 896. leise.
Rpola zog es vor zu schweigen. Er sah ein, daß jetzt nicht der Zeitpunkt war, mit dem
Clanoberhaupt zu diskutieren. Der Anblick seiner Mutter hatte den Oberbefehlshaber der Juclas
verwirrt. Rpola war froh, daß jetzt keine entscheidenden Befehle gegeben werden mußten; das
Clanoberhaupt hätte versagt.
Der Chef der Alterspolizei erlebte nicht zum erstenmal, daß jemand durch den Anblick des
Alters geschockt wurde.
»Warum antworten Sie nicht?« wollte Pentschypon-Kala 896. wissen.
Rpola lächelte müde.
»Ich kenne die Reaktionen des Henkers besser als jeder andere. Ich habe auch die Berichte
meiner Vorgänger gelesen. Keiner der Henker hielt sich so streng an die Schiffsgesetze wie der
amtierende.«
Pentschypon-Kala 896. stieß eine Verwünschung aus. Rpola wertete das als gutes Zeichen.
»Ich werde selbst mit ihm reden!« Pentschypon-Kala 896. stand auf. »Halten Sie meine Mutter
solange fest. Und … wickeln Sie ihr die Todestücher um den Kopf.«
»Das kann ich nicht tun«, versetzte der Alterspolizist. »Ich weiß nicht, wo ihre Todestücher
sind.«
»Dann nehmen Sie irgend etwas!« schrie Pentschypon-Kala 896. »Wickeln Sie ihr etwas um den
Kopf, damit niemand mehr ihr Gesicht zu sehen braucht. Ich will nicht, daß sie noch einmal von
jemand gesehen wird.«
Er stürmte hinaus. Rpola folgte ihm ein paar Schritte.
»Laßt niemand herein!« befahl er den beiden Polizisten vor der Tür.
»Wir haben acht Fälle«, sagte einer der Männer mahnend.
»Ich weiß«, versetzte Rpola.
Er schlug die Tür zu.
Das Reich des Henkers war dunkel und geheimnisvoll. In den Tiefen des Schiffes war
es noch stiller als in der Umgebung des Hinrichtungsraumes. Schalldichte Wände und Decken
verhinderten, daß der Lärm von oben bis hierher drang. In den nur spärlich beleuchteten
Korridoren und Räumen gab es keine Lautsprecher, die die Musik von oben übertrugen. Es gab nur
eine Funkverbindung, sie diente zum Kontakt mit der Zentrale oder der Alterspolizei.
Pentschypon-Kala 896. schob die schwere Abdeckplatte des letzten Antigravschachts zur Seite
und ließ sich in die Öffnung gleiten. Über ihm glitt die Platte wieder zu.
Von irgendwoher kam das Summen einer Maschine. Sonst war es still. Die Luft roch faulig.
Am unteren Ende des Schachtes entdeckte Pentschypon-Kala 896. eine Tür, gerade groß genug, um
einen Mann durchzulassen. Über der Tür leuchtete eine runde Lampe.
Irgendwie konnte Pentschypon-Kala 896. sich an diesen Antigravschacht erinnern. In seiner
frühesten Jugend, vielleicht, als er ein halbes Jahr alt gewesen war, mußte er schon einmal hier
gewesen sein.
Warum?
Er schüttelte unbewußt den Kopf.
Eine Täuschung! Schließlich ähnelten sich alle Antigravschächte innerhalb der MURRAC.
Das Clanoberhaupt stieß die Tür auf. Sie knirschte leise und schwang nur widerwillig zur
Seite. Pentschypon-Kala 896. drückte sie völlig nach hinten und betrat den anschließenden
Raum.
Es war eine Waffenkammer!
Fast neunhundert Generationen lang hatten die Henker hier alle Arten von
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