Silberband 054 - Finale für Pluto
die Luft von den an- und abschwellenden
Klängen erschüttert wurde. Dicke Regentropfen fielen aus dem düsteren Himmel, und plötzlich
rauschte ein Wolkenbruch herab.
Balton schloß seinen Druckhelm und sah reglos zu, wie sich der Regen in Schnee verwandelte.
Als der Schneesturm ihm die Sicht nahm, wurde ihm klar, wie es weitergehen würde.
27.
Etwas Schreckliches ist geschehen.
Eben noch schwebten der Große Vascalo und ich majestätisch in der Kommandokugel durch einen
Korridor, und jetzt müssen wir fliehen, um unser nacktes Leben zu retten.
Ich steuere die Kugel an schmelzenden, zusammensinkenden Wänden vorüber, selbstverständlich
mit aktiviertem Hochenergieschirm. Vor und neben uns vergehen Kriegsdiener in den gewaltigen
Entladungen, die der Zusammenprall unseres Schutzschirmes mit den viel schwächeren ihrer
Kampfanzüge verursacht. Aber die Rettung Vascalos geht vor; an ihrer Wichtigkeit gemessen, ist
die Opferung einiger Kriegsdiener eine Bagatelle.
Seltsamerweise nehme ich an Vascalo irrationale Züge wahr. Er, das Genie, schreit auf mich
ein, will mich von den Steuerkontrollen verdrängen. Ich wehre seine Attacken mit dem Rücken und
der rechten Schulter ab, schließlich kann ich nicht offensiv gegen ihn vorgehen. Wahrscheinlich
bin ich nicht in der Lage, die Reaktionen eines Genies folgerichtig zu beurteilen; so etwas steht
mir einfach nicht zu. Dennoch fühle ich mich unangenehm berührt. Ich muß mich zusammennehmen, muß
mehr Disziplin wahren.
Endlich – der Ausgang!
Wir schießen hindurch, schnellen hoch in die Luft, während hinter uns die gesamte Station in
einem atomaren Inferno vergeht. Felsen glühen, zerschmelzen. Magmabäche stürzen in die Schlucht.
Die Oberfläche des über der Station liegenden Plateaus reißt auf, eine Glutblase wölbt sich
empor, gefolgt von dem charakteristischen Dampf- und Rauchpilz einer nuklearen Explosion. Viele
Tausende unserer Helden finden in der alles verzehrenden Glut den Tod.
Das schlimmste aber ist, wir haben den Pedopeiler und damit die Aussicht auf Verstärkungen
verloren.
Immerhin, das Leben des unersetzlichen Vascalo ist gerettet, und ich empfinde tiefe
Befriedigung darüber.
Doch dieses Gefühl hält nicht lange vor. Was geschehen ist, ist zu ungeheuerlich, als daß man
es jemals vergessen dürfte. Der Große Plan ist verletzt worden, und das durch die Aktion eines
Barbaren, der überhaupt nicht in der Lage gewesen sein konnte, die Folgen seiner Handlung zu
berechnen.
Einer der terranischen Raumsoldaten, die wir für tot gehalten hatten, muß zur Pedopeilerhalle
geschlichen sein und dort hinterhältig einige Mikrobomben gezündet haben. Es ist mir
unbegreiflich, wie das geschehen konnte.
Am Plan hat es jedenfalls nicht gelegen, denn er ist selbstverständlich unfehlbar. Mehrere
Faktoren haben zusammengewirkt, soviel ist mir inzwischen klargeworden. Obwohl sich alles in mir
sträubt, das zuzugeben, so dürfte doch cappinsches Versagen der Hauptfaktor gewesen sein. Der
zweite Faktor heißt mangelnde Disziplin. Unsere Kriegsdiener sind ausreichend geschult und
belehrt worden und wissen, daß sie die als Feinde deklarierten Lebewesen zu töten haben. Sie
hätten keinen Terraner zurücklassen dürfen, von dessen Tod sie nicht überzeugt waren. Dennoch ist
es geschehen. Nicht weniger schlimm ist, daß die nachfolgenden Kriegsdiener den
umherschleichenden Feind nicht bemerkten, so daß er seine Bomben legen konnte, obwohl die
Gangsysteme der Station von unseren Männern wimmelten.
»Was nun?« höre ich mich fragen.
Vascalo wendet mir sein Gesicht zu. Wie nicht anders zu erwarten, ist es wieder von
vollendeter Ruhe, zeugt von Selbstbeherrschung und Zuversicht. Warum habe ich eigentlich gefragt,
was nun werden soll? Vascalo weiß es, seine Augen verraten es mir.
»Der Plan wurde verletzt«, antwortet er auf meine völlig unberechtigte Frage und beweist
dadurch abermals seine Größe. »Wir werden ihn heilen, Aronte.«
Ach, diese geniale Logik! Natürlich ist die Antwort so logisch wie eine mathematische
Gleichung. Der Plan wurde verletzt, folglich wird er geheilt.
Vascalo lächelte. Es ist das Lächeln eines Cappins, der bereits auf einer höheren Stufe der
gesetzmäßig verlaufenden Evolution steht. Keines jener atavistischen Gefühle, die sich im Lächeln
eines tieferstehenden Cappins manchmal ausdrücken, äußert sich in Vascalos Lächeln. Vielmehr
drückt er damit nur ein emotionsfreies Resultat
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