Silberband 054 - Finale für Pluto
zum Schott. Ich bin vollkommen verwirrt. Auf meinen Lippen
brennt noch immer die Glut ihres Kusses, und ich glaube noch ihren warmen Atem zu spüren.
Fiebere ich? Hat eine atavistische Krankheit mich gepackt?
Ich weiß es nicht, aber ich weiß plötzlich, daß ich eine große Freude bei dem Gedanken
empfinde, sie wiedersehen zu dürfen …
Vascalo nahm es als Selbstverständlichkeit hin, daß die Pedotransferierung trotz
des Widerstandes seines Opfers ohne Verzögerung gelungen war.
Er beherrschte den Körper Pultors einwandfrei, hatte den Geist des Takerers in einen Winkel
abgedrängt, um ihn nicht an seinen eigenen Gedanken teilhaben zu lassen. Nur er, Vascalo, war zur
vollständigen Isolierung der Übsef-Konstante fähig, und im Falle Pultors war es unbedingt
notwendig, daß das Opfer niemals erfuhr, welche Überlegungen sein Überwinder angestellt
hatte.
Vascalo wußte noch nicht, ob es ihm gelingen würde, seinen eigenen Körper wieder zu besitzen.
Er war fest dazu entschlossen, nicht auf ihn zu verzichten, doch wenn alles schiefging, würde er
für immer in Pultors Körper bleiben, ihn zu seinem eigenen machen. Da Pultor jedoch eine wichtige
Rolle in seinen weiteren Plänen spielte, durfte er niemals von dieser Absicht erfahren.
Pultors Gehirn arbeitete brillant, aber es arbeitete langsamer als die Gehirne anderer
Takerer. Deshalb war es noch nicht zu der einzig richtigen Entscheidung gekommen, die Vascalo
sofort traf, als er Pultors Körper beherrschte und die Lage überblickte.
Die terranischen Flottenverbände griffen – gemeinsam mit den Hilfsflotten der
Verbündeten – abermals an. Ihre Taktik zielte eindeutig darauf ab, der Sammlerflotte
Verluste beizubringen und dadurch ihre Kampfkraft zu schwächen.
Gerade das aber durfte nicht geschehen. Die bisherigen Verluste waren bereits viel zu hoch
gewesen.
Vascalo gruppierte seine Sammler um, ließ einige Entlastungsangriffe durchführen und benutzte
die dadurch entstandene Atempause, um seine Flotte zurückzuziehen. Nach einem kurzen
Linearmanöver waren die Angreifer abgehängt. Sie formierten sich neu, stießen aber vorerst nicht
nach.
Vascalo blickte auf seinen Armbandchronographen und preßte die Lippen, Pultors Lippen, fest
zusammen.
Die Zeit verrann, und noch immer waren die neunzigtausend Sammler, die ihm den endgültigen
Angriff auf das Solsystem ermöglichen sollten, nicht eingetroffen. Immer noch befanden sie sich
im Linearraum auf dem Anflug, so daß keine Funkverbindung möglich war.
Und auf diesem schrecklichen Mond Titan lag sein, Vascalos, kostbarer Eigenkörper in einem
Kampfanzug, dessen Lufterneuerungsanlage ausgefallen war.
Noch rund einundfünfzig Stunden terranischer Standardzeit, dann starb der Körper unweigerlich
ab.
30.
Während er auf die Ankunft der neunzigtausend Sammler aus dem Milchstraßenzentrum
wartete, empfing Vascalos Dakkar-Funkstation eine Meldung aus der entfernten Heimatgalaxis.
Als Kommandant Pultor saß er immer noch in der geräumigen Kommandozentrale des mondgroßen
Sammlers, als die Alarmmeldung eintraf. Mit schreckensbleichem Gesicht wurde sie ihm von einem
takerischen Offizier überreicht, der natürlich nicht ahnte, wer er wirklich war.
»Soeben eingetroffen, Kommandant.«
Pultor-Vascalo gab ihm einen Wink. »Lassen Sie mich allein.«
Er wartete, bis sich die Tür geschlossen hatte, dann erst las er die Nachricht durch. Auch er
wurde blaß.
Die Meldung besagte, daß Pentschypon-Kala 896. ein Jucla aus dem Murra-Clan, schon vor Tagen
den Taschkar Ginkorasch getötet und die Macht über das takerische Sternenreich übernommen
hatte.
Das war ungeheuerlich und unvorstellbar. Und das zu einem Zeitpunkt, in dem die
Entscheidungsschlacht gegen die verhaßten Terraner bevorstand.
Vascalo war ein schneller Denker, und schon nach wenigen Minuten stand sein Entschluß fest. Er
hatte auch einen Plan, wie er ihn verwirklichen konnte. Mehrere Faktoren spielten zusammen, es
kam nur darauf an, die richtige Reihenfolge zu beachten, einzuhalten und entsprechend zu
handeln.
Die Fakten waren: Sein, Vascalos, Eigenkörper lag auf Titan in einer Felsenhöhle und hatte
noch Atemluft für einundfünfzig Stunden. Kehrte er bis dahin nicht in diesen Gallertkörper
zurück, würde dieser absterben. Damit hatte Vascalo für alle Zeiten seinen eigenen Körper
verloren und mußte in dem von Pultor verbleiben, falls er es nicht vorzog, sich einen neuen zu
suchen.
Aber die große
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