Silberband 054 - Finale für Pluto
zögerte Schoscholk, seine Position durchzugeben.
Als die REALFIN zweitausend Kilometer pro Sekunde erreichte, beschloß Schoscholk, den Antrieb
anzuschalten und abzubremsen. Vorher drehte er das kleine Schiff, damit der Schub seine
Bremskraft voll entfalten konnte.
Der Antrieb begann sofort zu arbeiten, zeigte aber keinerlei Wirkung. Die Zeiger der
Geschwindigkeitsmesser blieben auf der Zweitausend-Kilometer-Markierung stehen. Aber sie
wanderten auch nicht mehr weiter.
Lange Minuten saß Schoscholk bewegungslos in seinem Kontrollsitz und versuchte, das Unmögliche
zu erklären, das Unbegreifliche zu begreifen. Der Antrieb arbeitete einwandfrei, das bewiesen die
vielseitigen Kontrollinstrumente. Aber er arbeitete umsonst. Nicht der geringste Bruchteil seiner
freiwerdenden Energie wurde in Bewegung umgesetzt. Die REALFIN wurde nicht abgebremst.
Der Energieschlauch war noch drei Millionen Kilometer entfernt.
Das bedeutete, daß die REALFIN in knapp einer halben Stunde seinen Rand erreichte, wenn die
Bahn nicht so verändert wurde, daß sie auf dem Planeten oder seinem Mond zerschellte.
Alle drei Möglichkeiten gefielen Schoscholk nicht, aber wenn es bei der ersten blieb, hatte er
noch eine Chance.
Er versuchte das Schiff zu steuern und die Flugrichtung zu beeinflussen, und zu seiner
Überraschung hatte er damit Erfolg. Zwar reagierte die REALFIN unendlich langsam und
schwerfällig, aber immerhin verschoben sich die Konstellationen auf dem Bildschirm. Sie taten es
fast unmerklich, und es dauerte lange Minuten, ehe ein Stern auch nur um Millimeter seine
Position wechselte. Nicht schnell genug jedenfalls, um das Schiff an dem System vorbeischießen zu
lassen.
Zum erstenmal in seinem Leben lernte Schoscholk das Gefühl echter Panik kennen. Er war allein
und auf sich selbst angewiesen. Niemand würde ihm helfen können, wenn er nun seinem Tod
entgegenraste – oder doch zumindest einem ungewissen Schicksal. Und er selbst konnte nichts
dagegen tun. Die Technik versagte, so, wie er zuvor versagt hatte, weil er nicht vorsichtig
gewesen war.
Erst jetzt fiel ihm ein, daß er die Zentrale der Organisation unterrichten mußte. Selbst wenn
er starb, war es seine Pflicht, seine Freunde vorher zu warnen. Er hatte das unbestimmte Gefühl,
daß es sich bei diesem teuflischen System um jene Gefahr handelte, der bereits sieben andere
Schiffe zum Opfer gefallen waren.
Zuerst ging er auf Empfang, um festzustellen, ob überhaupt eine Verbindung möglich war.
Außer den üblichen Störgeräuschen hörte er nichts.
Trotzdem schickte er den Notruf aus und gab seine Position bekannt. Dreimal wiederholte er den
gerafften und verschlüsselten Spruch, ehe er wieder auf Empfang ging und vergeblich auf die
Bestätigung wartete.
Der Kurs lag nun so, daß die REALFIN die obersten Schichten der giftigen Atmosphäre Moryrs
streifen würde. Das konnte die Rettung bedeuten, falls das Schwerefeld des Planeten groß genug
war, das Schiff wie einen künstlichen Mond einzufangen. Zumindest würde es dann nicht auf seiner
Oberfläche zerschellen. Schoscholk würde Gelegenheit zum Nachdenken erhalten, und vielleicht fiel
ihm dann ein Weg zur Rettung ein.
Allerdings war da noch Moryma, der Mond des Giganten. Seine Bahn ließ sich durch den Ausfall
einiger Instrumente nicht genau berechnen. Möglich, daß er inzwischen genügend weiterwanderte, um
in die Flugbahn der REALFIN zu geraten.
Und genauso kam es.
Die REALFIN schoß mit erhöhter Geschwindigkeit an Moryr vorbei. Sie entkam dem
natürlichen Schwerefeld und wurde von dem des Mondes eingefangen. Die Bahn wurde abgebogen und
zur Ellipse geformt. Ein Entkommen war jetzt nicht mehr möglich. Unbarmherzig wurde das Schiff
auf den leblosen Trabanten zugerissen.
Die Stunden vergingen qualvoll langsam.
Schoscholk sah unentwegt auf den Bildschirm.
Noch fünfzehn Kilometer bis zur Oberfläche …
Einladend sah sie nicht gerade aus. Schroffe Gebirge und tiefe Schluchten in einer trostlosen,
atmosphärelosen Landschaft … das war alles. Kein Hauch von Vegetation oder sonstigem Leben.
Eine leere und tote Welt.
Ein riesiges Grab!
Trotz voller Schubleistung gelang es Schoscholk nicht, den Sturz ganz abzufangen. Zwar
verringerte sich die Fallgeschwindigkeit erheblich, die REALFIN ließ sich sogar ein wenig
steuern, aber der Aufschlag war unvermeidlich.
Schoscholk sah weiter vor sich eine Kraterebene, die nicht von Spalten und Schluchten
durchzogen wurde wie
Weitere Kostenlose Bücher