Silberband 055 - Der Schwarm
im Dunkeln. Das war die Zeit der Nachträuber, die aus dem Zoo ausgebrochen waren. Und es war die Zeit der Wegelagerer.
Die Straße lag wie ausgestorben vor mir. Plötzlich bemerkte ich zu meiner Linken in einem Hausportal einen Schatten. Ich zog den Paralysator aus dem Gürtel und schoß, bevor ich mein Ziel noch richtig erkennen konnte. Ich traf.
Ein schriller Schrei ertönte, und aus dem Hausportal kam ein kleines Mädchen gerannt und warf sich schluchzend auf das schwarze Etwas, das ich niedergestreckt hatte.
Ich steckte den Paralysator weg und ging zu dem Mädchen. Als ich dicht davorstand, sah ich das tränennasse Gesicht. »Sie haben Peter getötet«, sagte das Mädchen mit erstickter Stimme. Seine großen Augen waren eine einzige Anklage.
›Peter‹ war ein schwarzer Kater. Ich bückte mich und strich über das glatte Fell des hingestreckten Tieres.
»Er ist nicht tot«, sagte ich zu dem Mädchen. »Er schläft nur und wird bald wieder erwachen.«
»Ist das wahr? Stimmt das wirklich?« In ihren Augen glomm ein Hoffnungsschimmer.
»Du kannst mir ruhig glauben.«
»Ich will es tun«, sagte sie und strich dem Kater über das Fell. Dabei berührten sich unsere Finger. Plötzlich ergriff sie meine Hand und drückte sie fest. »Ich will dir glauben, denn du hast ein ehrliches Gesicht. Nicht ein so brutales wie die anderen Männer, die immer meine Katzen töten.«
Ich wurde hellhörig.
»Hast du viele Katzen?« fragte ich.
Sie schüttelte den Kopf. »Nein, immer nur eine. Wenn sie getötet wird, bekomme ich eine andere.«
Während ich noch vor dem Mädchen kniete, suchte ich die gegenüberliegende Häuserfront ab. Nirgends war eine Bewegung zu entdecken.
»Wir sollten deinen Peter von hier fortbringen«, sagte ich und hob den Kater auf. »Wo wohnst du?«
Sie deutete auf das Hausportal, aus dem sie gekommen war.
»Bist du allein?«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich bin mit meiner kranken Mutter zusammen.« Sie zögerte, dann fuhr sie fort: »Uns geht es gut. Wir haben viele Lebensmittel, ausreichend Wasser und auch elektrischen Strom. Kommst du mit?«
Ich begleitete sie in das bezeichnete Haus, den paralysierten Kater im Arm.
Als wir durch das Portal in die dunkle Halle traten, stürzten sich zwei Gestalten auf mich.
Damit hatte ich gerechnet.
Während ich dem ersten Angreifer den regungslosen Kater entgegenwarf, holte ich den Paralysator hervor und schoß den anderen ins Bein. Er schrie vor Überraschung auf und ging in die Knie.
Der erste Angreifer hatte sich inzwischen des Katers entledigt. Als er sich mit einem Wutschrei auf mich stürzen wollte, rannte er genau in den Strahl meines Paralysators. Er wurde voll ins Gesicht getroffen und brach gelähmt zusammen.
Das Mädchen hatte den Kampf nicht beobachtet, sondern war zu seinem Kater geeilt.
Ich ging zu dem Mann, dessen Beine ich gelähmt hatte. Er lag bäuchlings auf dem Boden. In der einen Hand ein Messer, schleppte er sich auf mich zu, die gefühllosen Beine hinter sich nachziehend.
Als ich ihn erreichte, holte er mit dem Messer zum Stoß aus. Ich trat es ihm aus der Hand. Er fluchte und ruderte mit den Armen wild um sich. Er beruhigte sich erst, als ich ihm den Paralysator vors Gesicht hielt.
»Ihr wolltet mich eben umbringen«, sagte ich nüchtern. »Warum?«
Er deutete auf die Waffe.
»Ihr wolltet also meine Waffe«, stellte ich fest. »Habt ihr den Trick mit der Katze schon oft angewandt?«
Der Mann nickte.
»Haben Sie die Sprache verloren?« erkundigte ich mich drohend und hob die Waffe.
Der Mann gab einen unartikulierten Laut von sich, öffnete weit den Mund und deutete mit dem Zeigefinger hinein. Ich wandte mich ab – wo seine Zunge sein sollte, befand sich nur ein narbiger Stummel.
»Schon gut«, sagte ich und blickte ihn erst wieder an, nachdem er den Mund geschlossen hatte. Ich fragte: »Gehört ihr einer Bande an?«
Er schüttelte verneinend den Kopf.
Ich hätte es mir denken können. Eine vielköpfige Bande wäre nicht darauf angewiesen gewesen, mit List und Tücke Opfer anzulocken.
Objektiv betrachtet war der Trick mit der Katze und dem Mädchen ganz gut – wenn auch abstoßend.
Man ließ die Katze in Sichtweite eines auserkorenen Opfers los. Das Opfer ging in der ersten Schrecksekunde sofort in Verteidigungsstellung, und dadurch lernte man seine Bewaffnung kennen. Dann trat das Mädchen auf den Plan. Es berichtete von seiner kranken Mutter und den Lebensmittelvorräten und gab so dem Opfer die Illusion von
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