Silberband 055 - Der Schwarm
Sanitäter trug ich meinen Patienten zurück ins Haus.
»Guten Morgen, Kirk.«
Er betrachtete mich wie ein Gespenst. Dann schien die Erinnerung bei ihm langsam wieder einzusetzen.
»Wieso kennst du meinen Namen?« wollte er sofort wissen.
»Du hast im Fieber gesprochen«, antwortete ich. »Du hast auch andere Namen genannt. Wer sind Dada und Memo?«
»Dada ist der Boß, Memo seine rechte Hand.« Kirk stützte sich auf und blickte mich dankbar an. »Du hast mir das Leben gerettet …«
»Ich heiße Serkano Staehmer.«
»Ein schwieriger Name. Ich werde dich Kano nennen. Bei uns tragen alle einfache Namen, damit man sie nicht durcheinanderbringt.« Kirk stand auf. Er war noch etwas schwach auf den Beinen, aber er hielt sich ganz gut. Als er den Wasserbehälter entdeckte, atmete er erleichtert auf.
»Ohne ihn hätte ich mich nicht zurückgetraut.« Plötzlich blickte er mich mit einer Mischung aus Bewunderung und Mißtrauen an. »Wie hast du es gemacht, Kano?«
»Ich brauchte nur die Riesenspinne zu erledigen, damit warst du gerettet«, erklärte ich.
Kirk schüttelte leicht den Kopf. Er sah mich fest an, als er sagte: »Ich weiß, daß du klüger bist als ich, Kano. Aber auf den Arm nehmen lasse ich mich nicht. Ich weiß ganz genau, daß die Spinne mich gebissen hat.« Er zog seine Hosen herunter und deutete auf seine Schenkel, wo noch die Einstiche zu sehen waren. »Da, das ist der Beweis. Was hast du getan, um mich zu retten?«
Ich lachte nur. »Ich bin ein Glückspilz. Was ich auch angreife, immer habe ich damit Glück.«
»Tatsächlich?« fragte er mißtrauisch. »Und wie kommt das?«
»Ich trage einen Talisman«, erklärte ich, öffnete mein Hemd und holte meinen Talisman hervor, den ich an einer Kette um den Hals trug. Es handelte sich um ein strahlendes Amulett der Galwainesen von Pirrat. Ich legte es nie ab. Nicht nur weil ich es als Andenken schätzte, sondern weil ich die Kraft seiner Strahlung fühlte. Das hatte mit Aberglauben und Magie nichts zu tun. Ich hatte Beweise dafür, daß die Strahlung des Amuletts eine anregende Wirkung auf mich ausübte.
»Ja, es muß ein Glücksbringer sein«, sagte Kirk beeindruckt, als er das Amulett in den Händen hielt. »Ich habe gar nicht gewußt, daß es so etwas gibt. Dada sicherlich auch nicht. Wird der Augen machen, wenn ich ihm einen echten Glückspilz bringe! Er wird dich mit offenen Armen aufnehmen, Kano. Von nun an kann gar nichts mehr schiefgehen.«
Ich hatte den Wasserbehälter geschultert, weil Kirk noch zu schwach war. Wir brauchten zwar nicht lange zu marschieren, um das Versteck der Dada-Bande zu erreichen. Trotzdem machte mir der Weg zu schaffen.
Die Luft war von einem unglaublichen Gestank erfüllt. Die Kanalisation funktionierte in Terrania City nicht mehr richtig, denn die Konverter und sonstigen Abfallvernichtungsanlagen waren ausgefallen. Der Unrat häufte sich überall. Zudem war es noch ziemlich heiß. Ich schwitzte und war froh, als wir das Versteck der Bande erreichten: ein Kühlhaus des Zentralschlachthofes.
Dort durfte ich mir jedoch keine Abkühlung erhoffen, denn die Gefrieranlagen waren schon lange ausgefallen. Aber ich war immerhin froh, daß wir unser Ziel erreicht hatten. Bevor wir das Gebäude noch betreten hatten, zog über uns ein Gleiter hinweg, der Desinfektionsmittel versprühte. Deighton erhoffte sich von solchen Aktionen, daß eventuell ausbrechende Seuchen eingedämmt werden konnten.
Ich hatte das Kühlhaus kaum betreten, als sich jemand von hinten auf mich warf und mir eine Schlinge um den Hals legte.
»Laß ihn los, Vik, er möchte bei uns aufgenommen werden«, sagte Kirk.
Ich durfte passieren, kam aber nur durch die Eingangshalle bis zur nächsten Tür. Dort bekam ich einen Stoß, der mich zu Boden warf. Bevor ich noch wußte, wie mir geschah, stand ein bulliger Mann über mir und setzte mir einen Dreizack auf die Brust.
»Das ist Kano, er möchte bei uns aufgenommen werden«, erklärte Kirk wieder.
Der Mann mit dem Dreizack meinte: »Der fällt sicher durch!«
»Du mußt noch einige Prüfungen bestehen, bevor dich Dada aufnimmt«, sagte Kirk dazu. »Aber bei deinem Glück bestehst du sie leicht.«
Dein Vertrauen in mein Glück möchte ich haben, dachte ich.
Von nun an wurden wir nicht mehr angehalten. Wir ließen einen langen Korridor hinter uns, in dem die kleineren Kühlkammern lagen. Dann kamen wir in eine riesige Halle, in der sich Fließbänder befanden. In früheren Zeiten waren hier die
Weitere Kostenlose Bücher