Silberband 056 - Kampf der Immunen
Saedelaere schlüpfte unter dem Gitter durch. Der Korridor verbreiterte sich. An den Wänden hockten Dutzende von mumienähnlichen Kreaturen und musizierten auf flötenähnlichen Instrumenten. Die Töne, die sie erzeugten, lagen jenseits der Hörgrenze.
Der Sinn des geisterhaften Konzerts war nicht erkennbar, gehörte aber offenbar ebenfalls zum Zeremoniell des Aufbruchs.
Stumm zeigte Lloyd auf einen meterbreiten Riß, der quer über die Decke verlief und offenbar durch die Erschütterungen entstanden war. Aus der Öffnung quoll roter Staub, sank nach unten und leuchtete bei der Berührung mit dem Boden auf, so daß es aussah, als würden die beiden Raumfahrer über einen Teppich leuchtender Kristalle laufen. Am Ende des Ganges erschien eine schillernde Blase, die wie ein überdimensionaler Wassertropfen aussah. Von unbekannten Kräften getrieben, schwebte sie den Gang herauf, berührte dabei immer wieder die Decke und verformte sich. Abwechselnd nahm sie die Form einer Kugel und eines Zylinders an. Als sie die Öffnung in der Decke erreichte, kam sie mit dem roten Staub in Berührung und zerplatzte. Etwas Winziges, Zappelndes fiel heraus und versank schreiend im roten Staub.
Saedelaere preßte die Lippen zusammen und rannte weiter. Er wußte nicht, ob alles, was sie sahen, Realität war. Auf jeden Fall waren die Dinge, die sich innerhalb der Festung befanden, für einen Menschen völlig unverständlich.
Der Transmittergeschädigte fragte sich voller Unbehagen, welche schrecklichen Überraschungen der Schwarm noch für sie bereithalten mochte, wenn diese Scheibe, die innerhalb des gesamten Gebildes nur eine unbedeutende Aufgabe erfüllt hatte, bereits so fremdartig war.
Gab es unter diesen Umständen überhaupt eine Hoffnung, mit den Fremden Kontakt aufzunehmen?
Lloyd blieb vor zwei schmalen Seitengängen stehen. Er deutete in einen Gang, wo es vollkommen dunkel war.
»Wir müssen diese Richtung einschlagen!«
»Weshalb sind Sie so sicher?« erkundigte sich der Mann mit der Maske.
Lloyd lächelte matt. »Die Bewußtseinsimpulse der Siloten. Ich kann sie schwach spüren und orientiere mich an ihnen.«
Saedelaere folgte dem Mutanten in den dunklen Gang. Es wurde augenblicklich eiskalt um sie herum. Obwohl Saedelaere Wände und Decke nicht sehen konnte, glaubte er sie so nahe, daß sie ihn zu ersticken drohten. Das war sicher keine Täuschung. Die Luft innerhalb dieses Korridors war dünn und kalt.
Das Gebrüll des Festungsherrn klang bis hierher. Der Boden zitterte. Saedelaere hielt sich mit einer Hand an Lloyd fest, damit sie sich nicht verlieren konnten. Er hörte Lloyds Hände über die Wand tasten.
Plötzlich blieb der Telepath abrupt stehen. »Da ist jemand!« sagte er.
Saedelaere hörte ein rauhes Keuchen, als würde sich etwas unter fürchterlicher Anstrengung den Gang entlang schleppen. Dann folgten kratzende Geräusche, gefolgt von einem leisen Klopfen.
Saedelaere griff instinktiv nach seiner Maske.
»Lassen Sie das!« rief Lloyd, dem offenbar nichts entging. »Es ist ein Fremder, ein Gefangener Tarquatzas. Er ist schon so lange hier, daß er sich nicht zurückerinnern kann, wie er überhaupt hergekommen ist. Sein Leben wurde künstlich verlängert. Er denkt von sich in ziemlich abstrakten Vorstellungen.«
Saedelaere wurde von Lloyd gegen die Wand gedrückt und preßte sich eng dagegen.
»Ruhig jetzt!« befahl der Mutant.
Etwas wälzte sich an ihnen vorbei, ein scheinbar endlos langes und schweres Wesen, das halb irrsinnig vor Schmerzen zu sein schien.
»Der Fremde ist ausgebrochen, aber er weiß nicht, wohin er sich wenden soll«, erklärte Lloyd. »Es ist besser, wenn wir ihn unbehelligt lassen. Man weiß nie, wie so ein Verzweifelter reagiert.«
Saedelaere beneidete Lloyd um diese Haltung. Während er vor Aufregung zitterte, blieb der Mutant vollkommen gelassen. Aber Lloyd hatte auch den Vorteil, daß er sich zumindest parapsychisch auf die fremde Umgebung einstellen konnte, während Saedelaere nur seine normalen menschlichen Sinne besaß, von denen er nicht einmal wußte, ob sie ihn richtig informierten oder täuschten.
Als es stiller wurde, setzten die beiden Männer ihre Flucht fort. Vor ihnen flackerte ein Licht und verging wieder. Saedelaere wußte, daß sie nie erfahren würden, was es zu bedeuten hatte.
Die Stimme des Festungsherrn schien noch lauter zu werden. Für Saedelaere war es unvorstellbar, wie ein Wesen solche Geräusche hervorbringen konnte. Die Abstände, in denen
Weitere Kostenlose Bücher