Silberband 057 - Das heimliche Imperium
ich mich gegen die Traumbilder zur Wehr setzte und dadurch die parapsychischen Kräfte mobilisierte. Aber da der Feind, gegen den ich kämpfte, in mir war, fügte ich mir selbst Schaden zu. Ich befürchtete schon, daß ich die Gewalt über meine Fähigkeit verloren hätte, daß ich sie nicht mehr kontrollieren könne, doch Doktor Kayasho beruhigte mich. Er versicherte, daß ich nur während des Traumes die Beherrschung über mein Psi verloren hätte und daß dies in den Perioden des Wachseins nicht passieren könne.«
»Hoffentlich fügen Sie sich im Traum nicht einmal größeren Schaden zu«, meinte Rhodan.
»Das wird mir nicht mehr passieren«, versicherte Irmina. »Doktor Kayasho hat meine Phobie unter dem Hypnoschuler geheilt.«
Aber sie war vom Erfolg dieser Behandlung selbst nicht ganz überzeugt. Denn hatte sie nicht eben erst geglaubt, trotz der künstlichen Gravitation in die Unendlichkeit des Weltraums zu stürzen? Und konnte sie absolut sicher sein, die Kontrolle über ihre unheimliche Fähigkeit tatsächlich nie zu verlieren?
Sie war eine Metabio-Gruppiererin. Sie kannte die Bezeichnung für ihre Fähigkeit selbst erst seit einigen Tagen, als Rhodan auf Last Hope gelandet war. Sie war damals von der höllischen Oberfläche in die subplanetarische Forschungsstation zurückgekehrt und hatte sich dem Großadministrator anvertraut. Seitdem galt sie als ›Metabio-Gruppiererin‹.
Aber ihre Fähigkeit hatte sie schon früher besessen. Sie erinnerte sich des Tages, als sie erkannte, welche tödliche Geisteswaffe sie besaß …
Irmina erfaßte sehr schnell, daß sie von einem Moment zum anderen plötzlich die einzige vernunftbegabte Person unter 80.000 Verdummten zu sein schien. Ihr war auch, als hätte sie sich selbst geistig verändert, als wäre sie auf eine seltsame Art intelligenter geworden, doch schrieb sie das anfänglich dem Umstand zu, daß die anderen ihre Intelligenz verloren hatten.
Eines Tages entdeckte sie jedoch, daß tatsächlich mit ihr eine Veränderung vor sich gegangen war. Sie hatte sich immer von den Verdummten zurückgezogen, um nicht in das Chaos hineingezogen zu werden, das sie in der Forschungsstation verbreiteten. Aber so vorsichtig sie auch war, sie konnte nicht verhindern, daß sie zwei Ertrusern in die Hände fiel, in denen durch die Verdummung animalische Instinkte wach geworden waren.
Irmina sah die beiden hünenhaften Gestalten wieder ganz deutlich vor sich. Sie fühlte ihre lüsternen Blicke und stand Todesängste aus. Aber plötzlich sah sie die Ertruser mit anderen Augen. Als würde sie durch ein Elektronenmikroskop blicken. Sie sah nicht mehr zwei muskelbepackte Giganten, sondern zwei Gebilde, die aus einer Zellanhäufung bestanden. Sie erblickte eine unendliche Zahl von verschiedenartigsten Zellen, die sich zu Haut, Muskeln, Knochen, Sehnen, Blut und Gehirnmasse aneinanderreihten.
Irmina war fasziniert. Aber dann sah sie durch die Zellformation hindurch wieder die irren Blicke aus umschleierten Augen. Als wolle sie dieses Bild verscheuchen, suchte sie mit ihren Blicken wieder die Zellen. Doch sie konnte sie nicht mit den Augen erfassen, sondern nur mit dem Geist. Das erkannte sie gleich darauf. Während sie die näher kommenden Ertruser optisch vor sich sah, zeigten sich ihr gleichzeitig die vielgestaltigen Zellanordnungen. Ihr war mit einemmal klar, daß sie die Zellen nicht optisch wahrnahm, sondern daß sie sie esperte.
Da war eine einzelne Zelle aus dem Gehirn des einen Ertrusers. Im Zellplasma waren außer dem Zellkern noch viele andere Körperchen eingeschlossen, die Mitochondrien. Irmina hatte sie im Labor schon oft unter dem Mikroskop betrachtet, aber das hier war etwas anderes. Sie konnte in diesem Augenblick sogar den Zellkern durchdringen und die komplizierte Kette der Desoxyribonucleinsäuren erfassen, die die Träger der Gene waren. Sie konnte beobachten, wie die Mitochondrien die Adenosintriphosphorsäure produzierten, jene ATP-Säure, die als Kraftwerk im Zellhaushalt angesehen werden konnte.
Brachte man die Mitochondrien dazu, mehr energiereiche ATP-Säure zu produzieren, als nötig war, dann war die Zelle ›übersättigt‹, und sie quoll auf, barst, mutierte, wucherte … Störte man auf diese Weise den Energiehaushalt einer Zelle, dann wurde noch kein Schaden angerichtet. Irmina sah, wie auf ihren Wunsch die Mitochondrien zur Überproduktion angeregt wurden – und die Zelle sich aufzublähen begann.
Sie war überwältigt.
Aber damit
Weitere Kostenlose Bücher