Silberband 060 - Die Cynos
konnte. Wahrscheinlich wurde sie von Bergen verdeckt.
Dann erfuhr er, daß Ellsmere und King sich seit dem frühen Nachmittag des vergangenen Tages nicht mehr gemeldet hatten. Wie in Hollis Fall sprach der Hyperkom, der in ihrem Shift eingebaut war, einwandfrei an, nur war niemand da, um ihn zu bedienen. Ungleich der in Hollis Fall gemachten Erfahrung waren hier jedoch auch die beiden Funkgeräte, die Ellsmere und King normalerweise am Leibe trugen, ansprechbar, jedoch konnte ihnen keine Antwort entlockt werden. Kochern hatte sich entschlossen, gegen Mittag, falls sich Ellsmere bis dahin noch nicht gemeldet hatte, eine intensive Suchaktion zu starten. Holli riet ihm, davon vorläufig noch abzusehen, und Kochern ging auf den Ratschlag ein.
Seit der Begegnung am Ufer des unterirdischen Sees hatte Holli so gut wie keine Gelegenheit gehabt, sich mit Hung-Chuin oder einem seiner Leute zu unterhalten. Sie waren unaufhörlich in Bewegung gewesen, und seine Neugierde war weitgehend unbefriedigt geblieben. Diesem Umstand wollte er jetzt ein Ende bereiten. Ohne Elisa von seiner Seite zu lassen, schritt er kräftig aus, bis er Chuin, der an der Spitze des Trupps marschierte, erreicht hatte. Er kam unmittelbar zur Sache.
»Zwei Kameraden, Leute wie ich, haben ebenfalls nach Ihnen gesucht. Man sagt mir, daß sie verschwunden sind. Wissen Sie etwas darüber?«
Der Koreaner lächelte unergründlich.
»Ich habe mich schon gewundert, warum die Neutrinisten zu so ungewöhnlicher Zeit ein Opfer bringen wollten«, antwortete er. »Möglich, daß sie Ihre Kameraden gefangen haben.«
»Die Neutrinisten?«
»Ja. Es gibt zwei Gruppen auf dieser Welt – die Neutrinisten und die Chuinisten. Die letzteren sind wir selbst. Wir befinden uns auf dem Wege der Erleuchtung, während die Neutrinisten erwählt haben, im Dunkel der Primitivität zu verbleiben. Wir wissen nicht, warum das so ist, und halten unsere Lebensweise für die einzig richtige. Aber vor den Augen des Geistes finden offenbar beide Gruppen Gefallen, denn er schützt die Neutrinisten ebenso, wie er uns schützt.«
»Wann werden wir erfahren, ob die Neutrinisten unsere zwei Leute tatsächlich gefangengenommen haben?«
»In kurzer Zeit. Wir werden uns im Dorf nicht lange aufhalten, sondern sofort zum Geistertal weitermarschieren.«
»Wie weit ist das?«
Hung-Chuin sah auf und prüfte den Stand der Sonne. »Die Sonne wird gerade noch zu sehen sein, wenn wir das Tal erreichen.«
»Wie geht das Opfer vor sich?« wollte Holli wissen.
»Unsere Leute bringen die beiden Kisten zum Mittelpunkt der Steine und …«
»Der Steine?«
»O ja, das Geistertal ist voll von Steinen. Es gibt Tausende davon. Der Mittelpunkt ist ein freier Platz aus blankem Fels, auf dem kein Halm gedeiht. Unsere Leute setzen die Kisten dort ab. Dann ziehen sie sich zurück, denn wir Chuinisten beobachten das Opfer nur von den Hängen des Tals. Die Neutrinisten dagegen öffnen die Deckel der Kisten. Sie stehen still, bis der Rauch sich verzogen hat. Dann kehren sie in den Wald zurück. Sie glauben, regelmäßige Opfer sicherten ihnen die Gunst des Geistes.«
»Was haben unsere beiden Kameraden mit dem Opfer zu tun?« erkundigte sich Holli.
»Die Neutrinisten bieten sie als besondere Gabe an. Ich bin sicher, daß der Geist die beiden Opfer ebenfalls zu Neutrinisten machen wird.«
»Ist so etwas schon einmal vorgekommen?«
»Nein, niemals. Aber ich kenne die Wirkung der Orchideen.« Er blinzelte Holli zu. »Ich bin überzeugt, die Neutrinisten sind so dumm, wie sie sind, nur weil sie andauernd die Orchideen vor ihren Nasen verrauchen lassen. Ganz sicher werden sie die beiden Gefangenen in unmittelbarer Nähe der Kisten aufstellen.«
»Ich werde das zu verhüten wissen«, sagte Holli ernst.
Chuin wiegte den Kopf. »Ich weiß nicht, wie Sie das anstellen wollen. Niemand vermag etwas gegen den Willen des Geistes.«
»Sie verstehen mich nicht. Wir sind hierhergekommen, um Sie zu retten. Selbst wenn Sie sich im Augenblick nicht vorstellen können, daß Sie der Rettung bedürfen. Wir sind gekommen, um Sie von dieser Welt zu holen. Sie, Ihre Leute und die Neutrinisten. Wir haben es eilig. Wir haben keine Zeit, uns Hokuspokus anzusehen und dabei zwei unserer Kameraden in Gefahr zu bringen. Ich werde dafür sorgen …«
Hung-Chuin blieb stehen und legte ihm die Hand auf den Arm.
»Ich verstehe Sie«, versicherte er ernsthaft. »Aber ebenso sehr, wie Sie uns zu retten wünschen, wollen Sie etwas über
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