Silberband 063 - Das Tabora
Hokar entfernt öffnete sich plötzlich der Boden.
Der alte Muschelsammler traute seinen Augen nicht. Das war doch unmöglich!
Es widersprach allen Naturgesetzen, daß der Gletscher ein so riesiges Stück abspaltete. Hokar schätzte, daß die Entfernung vom Meer bis zur Trennstelle eintausendfünfhundert Meter betrug.
Die Touristen schrien auf Hokar ein, aber der Lärm des Gletschers machte es unmöglich, irgend etwas zu verstehen. Die Luft dröhnte. Das Donnern schien das Innere von Hokars Körper zu erschüttern. Schneestaub wurde hochgewirbelt und legte sich wie ein weißer Schleier über das Land. Der Boden bebte.
Nun begann auch der alte Muschelsammler zu schreien. »Auf den Schlitten!« Er ruderte wie wild mit den Armen, um sich auf diese Weise verständlich zu machen. »Wir müssen weg!«
Einer der Touristen verstand ihn und kletterte auf den Schlitten. Sofort begriffen auch die anderen und nahmen ihre Plätze ein. Hokar bezweifelte, daß er die Hunde antreiben konnte. Trotzdem mußte er es versuchen. In der Nähe des Gletschers war es jetzt lebensgefährlich.
»Vorwärts!« schrie der alte Muschelsammler mit sich überschlagender Stimme.
Die Schlittenhunde reagierten nicht. Zum erstenmal benutzte Hokar die Peitsche richtig, indem er ihr Ende auf die Körper der Tiere klatschen ließ. Doch die Hunde blieben liegen.
Hokar sprang vom Schlitten. Ein Teil des Gletschers löste sich vom Coats-Land und kippte unter schrecklichem Getöse langsam ins Meer. Zusammengepreßte Eismassen, die sich seit Jahrtausenden aufgestaut hatten, gerieten in Bewegung.
Der alte Muschelsammler packte Jake-O an den Riemen und riß ihn hoch. Er zog das Tier ein paar Schritte durch den Schnee, dann ließ er es los. Jake-O und die anderen Hunde brachen wieder zusammen.
Der Schlittenführer hielt beide Hände trichterförmig an den Mund.
»Wir müssen zu Fuß gehen!« rief er den Touristen zu. Er deutete mit ausgestrecktem Arm in Richtung der Station.
Plötzlich wurde es strahlend hell. Hokar fuhr herum. Aus der Trennstelle am Gletscher kam ein unwirkliches Glühen, als wäre eine unterirdische Sonne aufgegangen.
Die Touristen hielten ihre Arme vor die Gesichter.
Hokar starrte und starrte. Sein Herz schlug bis zum Hals. Er ahnte, daß es für dieses Ereignis keine natürliche Erklärung gab. Die Strahlung wurde immer intensiver. Das Licht erhellte das gesamte Gebiet rund um den Gletscher. Das Eis reflektierte das Licht.
Eine goldfarben leuchtende Energiesäule bildete sich über der Trennstelle. Sie wurde allmählich zu einem strahlenden Ball, wuchs dann zu einem Zylinder empor und sank spiralförmig zu Boden.
Hokar glaubte zu träumen. Das konnte nicht Wirklichkeit sein.
Aus der Luft sanken gepanzerte Flugmaschinen herab. Gleiter jagten heran und landeten im Gebiet des Gletschers. Roboter und bewaffnete Männer sprangen aus den Gleitern und Shifts und nahmen rund um die Trennstelle Aufstellung. Hokar und die Touristen wurden überhaupt nicht beachtet.
Der Schlittenführer sah, daß überall Schirmfeldprojektoren und Strahlkanonen aufgestellt wurden. Noch immer landeten Flugmaschinen aller Art. Hokar fragte sich, woher sie so schnell gekommen waren. Es gab nur eine Erklärung: Die Vorgänge im Coats-Land waren von starken energetischen Ausstrahlungen angekündigt worden, die man geortet hatte. Die Verantwortlichen hatten sofort eine kleine Streitmacht an den Südpol geschickt.
Aber weshalb? fragte sich Hokar. Was wurde hier eigentlich gespielt?
Er blickte in die Richtung, wo die seltsame Energiespirale in sich zusammengesunken war. Da sah er etwas, das alles Vorausgegangene noch übertraf: Am Rand der Abbruchstelle stand ein Mann in leichter Kleidung mitten im Eis und winkte den Soldaten zu, die eine Kette um ihn zu bilden begannen.
14. April 3443 – 0.45 Uhr – Erdzeit.
Vor dreißig Minuten hatte Perry Rhodan den viertausend innerhalb des Schwarms operierenden Raumschiffen der Solaren Flotte den Befehl erteilt, Kurs auf Stato II zu nehmen. Rhodan war sich darüber im klaren, daß diese Schiffe nicht genügten, um Schmitt und seine vier terranischen Verbündeten vor den Angriffen der Karduuhls zu schützen, aber solange starke Verbände aus dem Schwarm den Paratronschirm um das Solsystem angriffen, wagte Rhodan nicht, die anderen Schiffe, die ihm noch zur Verfügung standen, ebenfalls nach Stato II zu schicken.
Eine Dreiviertelstunde nach Mitternacht begannen sich die Ereignisse jedoch zu überschlagen.
Von einer
Weitere Kostenlose Bücher