Silberband 064 - Die Stimmen der Qual
einem der weiter vom Zentrum entfernt liegenden Häuser. Es war ein fast viereckiger Würfel mit zwei Etagen. In einem der oberen Zimmer brannte Licht.
Absperrungen oder Alarmeinrichtungen waren nicht zu sehen. Hier draußen in der Einsamkeit schienen die Menschen einander zu trauen. Sie waren aufeinander angewiesen.
Alaska drang in den Hof ein. Er blieb stehen und lauschte. In der oberen Etage war ein Fenster spaltbreit geöffnet. Die Stimmen eines Mannes und mehrerer Kinder waren zu hören. Alaska huschte bis an die Hauswand. Er preßte ein Ohr gegen die Tür, die vom Hof aus ins Haus führte. Hier unten war alles still. Alle Bewohner des Hauses schienen sich oben aufzuhalten.
Alaskas Hand tastete nach dem Türöffner. Er gab nach. Die Tür ließ sich leicht nach innen drücken. Wieder lauschte der Transmittergeschädigte. Die Stimmen von oben waren durch die halboffene Tür zu hören. Licht drang durch den Antigravschacht nach unten.
Alaska betrat den Korridor. Auf der anderen Seite lag der Antigravschacht, durch den man nach oben und in die Kellerräume gelangen konnte. Zu beiden Seiten des Korridors gab es je zwei offenstehende Türen. Die Räume lagen in völliger Dunkelheit.
Der Maskenträger wartete einen Augenblick, dann schlich er bis zur ersten Tür und blickte in den dahinterliegenden Raum. Es war ein Schlafraum. Hier würde er keine Nahrung finden. Alaska ging weiter.
Die nächste Tür war der Eingang zum Badezimmer. Auch das war für Alaska nicht interessant. Auf der anderen Seite des Korridors hatte er jedoch mehr Glück. Die erste Tür, der er sich zuwandte, gehörte zur Küche.
Alaska trat ein. Schnell gewöhnten sich seine Augen an die Dunkelheit. Sein schwach leuchtendes Cappin-Fragment half ihm außerdem bei der Orientierung.
Er entdeckte den großen Vorratsbehälter an der Wand und öffnete ihn. Hunderte von Frischhaltepackungen waren darin gestapelt. Alaska nahm einen Beutel vom Schrank, faltete ihn auseinander und begann ihn zu füllen.
Licht flammte auf und hüllte Alaska ein. Der Mund des Kindes, das im Eingang stand und sich mit einer Hand am Türöffner festhielt, war vor Überraschung weit offen, seine Augen waren aufgerissen und zeigten schnell steigende Furcht.
Obwohl das Kind vier Schritte von ihm entfernt war, glaubte Alaska, in den dunklen Augen sein eigenes Spiegelbild zu sehen: Er stand wie versteinert da, leicht gekrümmt, die Hände um den Beutel geklammert.
Er war groß, dünn, trug eine Maske über dem Gesicht, unter der es verhalten leuchtete. Die viel zu weite Uniform hing um seinen Körper.
Für das Kind – es war ein Mädchen, vielleicht fünf oder sechs Jahre alt – mußte er wie ein Gespenst aussehen. Dem Ausdruck seines Gesichtes nach zu schließen, würde es in wenigen Augenblicken anfangen zu schreien.
Alaskas rechte Hand löste sich vom Beutel und tastete über den Schrank. Sie bekam einen Glasbehälter zu fassen. Alaska packte ihn und machte ein paar Schritte auf das Kind zu. Er sah, wie das Mädchen den Kopf zwischen die Schultern zog – eine Bewegung, die seine völlige Hilflosigkeit zum Ausdruck brachte.
Der Glasbehälter sauste herab, Alaskas Hand war wie ein Körperteil, der ein Eigenleben besaß.
Das kleine Kindergesicht schien zu zerbrechen. Blut lief über die blasse Haut. Alaska taumelte rückwärts. Das Kind stand da, die Arme weit von sich gestreckt. Es blutete aus einer Wunde am Kopf. Dann schwankte es, seine Hand glitt über die glatte Türfläche, suchte nach einem Halt. Das Kind prallte auf den Boden und machte dabei ein Geräusch wie ein gefüllter Sack. Der Anblick brannte sich tief in Alaskas Bewußtsein ein; eine entsetzliche Abscheu gegen sich selbst erwachte in ihm.
Er sah, daß der Behälter bei dem Aufschlag zerplatzt war, die Scherben lagen rund um das Kind am Boden. Den Stumpf des Behälters hielt Saedelaere noch immer in der rechten Hand, ein spitz gezacktes Etwas, an dem Blut und Haare klebten.
Alaska ließ das Ding fallen. Das Kind am Boden begann zu schreien.
Sekunden später hörte Alaska Schritte, die aus dem Antigravschacht über den Korridor klangen.
Ein Mann erschien im Eingang zur Küche. Er war groß, trug nur ein Unterhemd und hielt in einer Hand eine Tonspule.
Er sah Alaska an, dann das Kind, dann wieder Alaska. In seinem Gesicht ging eine Veränderung vor. Es war, als würde er sich innerhalb einer Sekunde völlig verändern. Das Kind wimmerte leise.
Alaska war unfähig, etwas zu tun. In einer Hand
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