Silberband 064 - Die Stimmen der Qual
zeugte von einer raschen Auffassungsgabe, daß er sich an Wesen, die er zum erstenmal zu Gesicht bekommen hatte, sofort wesentliche Unterscheidungsmerkmale gemerkt hatte. Rhodan konnte nicht sagen, ob es ihm auf Anhieb gelungen wäre, einzelne Asporcos sofort durch die Form ihrer Kämme voneinander zu unterscheiden. Und dabei war er im Umgang mit Fremdwesen geübt.
Er schob diese Überlegungen beiseite. Es wurde Zeit, daß er das Gespräch auf wichtigere Themen lenkte, denn niemand konnte sagen, ob der Asporco nicht wieder in die todesähnliche Starre verfiel.
Rhodan holte ein Versäumnis nach und stellte Atlan und sich vor, ohne jedoch auf ihre besonderen Positionen innerhalb der Menschheit einzugehen. Dafür war später noch Zeit. Es fiel Heydrac Koat leicht, Rhodan an seinem ›braunen Kopfflaum‹ und Atlan an seiner ›weißen Kopfpracht‹ zu erkennen.
»Sie sagten, daß Sie die Stimmen der Qual nicht mehr wahrnehmen, Heydrac Koat«, wechselte Rhodan übergangslos das Thema. »Glauben Sie, daß Sie sich jetzt frei und zwanglos mit uns unterhalten können?«
»Wenn sich mein Zustand nicht ändert, ja.«
»Auch über die Stimmen der Qual?«
Der Asporco schien zu überlegen. Nach einer Weile sagte er: »Ich kann nicht verstehen, was mit mir geschehen ist. Als mich Bull und Deighton zusammen mit ihren Helfern befragten, wollte ich sie vor den Stimmen der Qual warnen. Aber es gelang mir nicht. Ich konnte über alles sprechen, nur nicht über die Stimmen der Qual. Jetzt ist das anders. Ich spüre nicht mehr den fremden Zwang – es ist, als sei ein Druck von meinem Geist genommen worden. Ich bin in der Lage, alle Ihre Fragen zu beantworten.«
»Wann hörten Sie die Stimmen der Qual zum erstenmal, Heydrac Koat?« war Rhodans erste Frage.
»Dieser Tag liegt schon lange zurück«, kam die Antwort aus dem Translator. Da das Übersetzungsgerät nicht nur die Sprache in Interkosmo übertrug, sondern auch die asporcische Betonung in menschliche umsetzte, bekamen Rhodan und Atlan einen Eindruck davon, welche Emotionen Heydrac Koat beim Sprechen gerade bewegten.
»Es liegt schon sehr lange zurück«, sagte der Asporco wieder. Es klang entrückt, und Rhodan schien es, als bereite es Heydrac Koat trotz der gegenteiligen Behauptung Mühe, darüber zu sprechen.
»Wie lange liegt der Tag zurück?« fragte Rhodan schnell weiter. »Hörten Sie die Stimmen der Qual schon vor dem Start der EX-887-VRT, oder wurden Sie davon erst während des Fluges befallen?«
»Es war schon früher, viel früher … lange vor dem Erwachen des Geistes.«
»Können Sie eine Zeitangabe machen?«
»Die Stimmen der Qual meldeten sich schon vor Jahren zum erstenmal.«
»Vor wie vielen Jahren?«
Rhodan hatte die Frage kaum gestellt, als sich Heydrac Koats Mund wieder bewegte. Doch die Antwort kam erst mit einigen Sekunden Verzögerung aus dem Translator.
»Es war vor acht Jahren …«
Professor Eileind kam hinter dem Kontrollpult hervor.
»Damit sind terranische Jahre gemeint«, erklärte er. »Wir hatten es vorher leider versäumt, den Translator mit den Daten aus der Schiffspositronik der EX-887-VRT zu speisen, so daß die Zeitangaben des Asporcos nicht automatisch umgerechnet wurden. Wir haben dieses Versäumnis eben nachgeholt, deshalb kam es zur Verzögerung.«
Rhodan schluckte die scharfe Entgegnung, die ihm auf der Zunge lag.
»Acht Jahre sind tatsächlich eine lange Zeit«, sagte Atlan. »Es ist unglaublich, daß Sie trotz der quälenden Stimmen in Ihrem Geist einen so klaren Verstand behalten haben. Ich darf Ihnen aufgrund der vorgenommenen Tests eine überdurchschnittliche Intelligenz bestätigen, Heydrac Koat.«
»Es ehrt mich, das aus dem Mund eines Wesens zu hören, dessen Volk dem meinen in allen Belangen um Jahrtausende voraus ist.«
Rhodan lächelte. »Ich bezweifle, daß wir den Asporcos in allen Belangen voraus sind – und ganz bestimmt nicht um Jahrtausende. Aber gehen wir weiter. Wie wirkte sich Ihre geistige Versklavung auf Ihre Artgenossen aus? Ich meine, es handelt sich hier um übernatürliche Fähigkeiten, die über Ihr Gehirn zwar wirksam wurden, die Sie jedoch nicht bewußt steuern konnten.«
»Die Stimmen waren nicht immer quälend«, sagte Heydrac Koat. »Die meiste Zeit über machten sie sich nur wispernd bemerkbar; sie raunten und murmelten tief im Unterbewußtsein, aber ich war mir dennoch ihrer Gegenwärtigkeit bewußt. Nur zu gewissen Zeiten, wenn sich Geschehnisse anbahnten, die nicht nach dem
Weitere Kostenlose Bücher