Silberband 065 - Die Altmutanten
verstehen? Wer wollte aus Überzeugung ihr Freund sein? Sie waren in dieser Form tatsächlich völlig Fremde, denen man sogar mißtraute.
»Schlafen Sie jetzt!« befahl Scarteus.
Doch Marten schüttelte den Kopf. Dann tat er etwas Schreckliches. Mit einer Hand packte er ein lose an seinem Arm hängendes Gewebestück, riß es ab und schleuderte es in Scarteus' Richtung. Dabei stieß er wilde Beschimpfungen aus.
Der junge Arzt stand wie versteinert da. Das Blut war ihm aus dem Gesicht gewichen.
Ich drückte Marten auf sein Bett zurück. Er beruhigte sich augenblicklich.
»Wie können Sie so etwas tun?« fuhr ich ihn an. »Der junge Arzt opfert sich für Sie auf.«
»Ich verlor die Beherrschung«, sagte Marten niedergeschlagen. »Es tut mir leid.«
Ich glaubte ihn zu verstehen. Scarteus kam jedoch nicht so schnell darüber hinweg. Er wandte sich ab und begab sich in den kleinen Nebenraum. Ich hörte, wie er sich dort übergab.
Ras Tschubai kam herein. Er nahm Lloyds Platz ein. Der Telepath ging hinaus. Es wirkte wie eine unheimliche Szene aus einem alten Film, bei dem der Ton ausgefallen war.
Ich hatte das Gefühl, daß die Mutanten, die sich bei der Bewachung ihrer alten Freunde ablösten, uns Ärzte nicht aus den Augen ließen. Sie beobachteten uns. Wahrscheinlich würden sie eingreifen, wenn wir einen Fehler begingen. Ich ging zu Scarteus. Er hockte niedergeschlagen auf einem flachen Bett.
»Nehmen Sie es sich nicht zu sehr zu Herzen«, forderte ich ihn auf. »Sie als Arzt müssen verstehen, was in diesen Wesen jetzt vorgeht.«
»Muß ich das?« schrie Scarteus. »Kein Mensch kann verstehen, was mit ihnen los ist.«
Ich schloß hastig die Tür, damit die Mutanten ihn nicht hören konnten.
»Es sind Monstren«, sagte Scarteus. »Ja, Marten hatte völlig recht. Sie gehören nicht mehr zu unserem Volk.«
Ich ergriff eine Injektionspistole und lud sie mit einem Beruhigungsmittel. Ohne zu zögern drückte ich sie gegen Scarteus' Arm und jagte ihm durch die Kleider eine Ladung in die Blutbahn. Die Wirkung trat augenblicklich ein. Scarteus entspannte sich.
»Danke«, sagte er.
»Sie haben in den letzten Tagen zu wenig geschlafen«, betonte ich. »Gönnen Sie sich jetzt ein paar Stunden Ruhe. Ich bleibe bei den Mutanten, bis das Ärzteteam seinen Dienst antritt.«
Er willigte widerspruchslos ein.
Eine Stunde später kam Rhodan zurück in die Krankenstation. »Die Konferenz ist beendet«, berichtete er. »Ärzte und Wissenschaftler haben den Entschluß gefaßt, die acht Kranken nach Tahun zu bringen. Dort haben sie vielleicht noch eine Chance.«
»Und das PEW-Metall?« fragte ich.
Unsere Blicke kreuzten sich. Ich spürte den unbeugsamen Willen meines Gegenübers.
»Vorläufig wird kein Schiff nach Asporc fliegen«, sagte er.
22.
Meine Vermutung, daß die Nachricht von ihrer Verlegung die acht Mutanten in Aufregung versetzen könnte, bestätigte sich nicht. Die Bewußtseinsinhalte in den Synthokörpern wurden offenbar immer apathischer. Sie begannen sich mit allem abzufinden, was um sie herum geschah.
Obwohl ich mich nicht um terranische Politik kümmerte, wußte ich, daß Rhodans innenpolitische Schwierigkeiten stiegen. Rhodan hatte sich entschlossen, alle Mutanten des neuen Korps ebenfalls mit nach Tahun zu nehmen.
Vor ein paar Tagen, so erfuhr ich von Galbraith Deighton, waren zwei Raumschiffe der Antis auf Terra gelandet. Offiziell handelte es sich um eine Delegation von Geschäftsleuten, doch die SolAb wußte längst, daß es sich bei den Antis um angeworbene Söldner handelte. Radikale Gruppen der Opposition wollten sich mit diesen Antis gegen die Mutanten schützen. Es war außerdem ein offenes Geheimnis, daß Rhodans Gegner keinerlei Interesse hatten, daß sich die Großadministration mit acht für verschollen oder totgehaltenen Mutanten verstärken konnte. Deshalb mußte sogar mit einem Angriff auf die Kranken gerechnet werden.
Ich vermutete, daß die Anwesenheit der Antis der Hauptgrund für die Entscheidung Rhodans war, alle Mutanten von der Erde abzuziehen.
Bis zur Wahl des Großadministrators waren noch zwei Monate Zeit, aber niemand glaubte daran, daß Rhodan bei dieser Wahl eine ernsthafte Chance haben würde – wenn er sich überhaupt als Kandidat aufstellen ließ.
Die Hetzkampagne der Opposition hatte ihren Höhepunkt erreicht und war nicht ohne Erfolg geblieben. Immer wieder wurde Rhodan als Verräter angeprangert. Selbst Rhodans politische Freunde konnten es sich kaum noch
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