Silberband 065 - Die Altmutanten
gewesen.
In diesen entscheidenden Sekunden spürten sie die Nähe des ›Stör-Körpers‹. Von ihm ging die größte Gefahr aus. Er konnte sie allein dadurch vernichten, daß er anwesend war. Die Unruhe der Mutanten steigerte sich. Vergeblich bemühte Betty Toufry sich, die aufsteigende Panik abzufangen.
»Beherrscht euch!« drängte sie. »Seid ruhig! Wir verraten uns durch unsere Unruhe. Noch ist es viel zu früh. Der Körper ist leider noch viel zu instabil.«
Ihre Rufe verhallten im Nichts. Die Mutanten merkten, daß sich die Entfernung zwischen ihnen und dem ›Stör-Körper‹ zusehends verringerte.
»Nun, verehrter Kollege, darf man fragen, wie weit Sie sind mit Ihren Kummer-Patienten?« fragte Paih Terzyu.
Dr. Kwan Kwain, der aus dem Seitenarm der Klinik für extraterrestrisches Intelligenzleben gekommen war, blieb stehen.
»Wir haben ausgesprochenes Pech«, antwortete er und blickte auf sein Chronometer. Es zeigte 14.18 Uhr am 5. Juni 3444 an. »Das Baby ist mir entwischt.«
Paih Terzyu sah beunruhigt aus. »Sie haben noch keinen Alarm gegeben?«
»Doch – aber er dürfte bei der allgemeinen Unruhe untergegangen sein. Dabei ist der Kleine gefährlicher, als wir ursprünglich angenommen haben.« Mit knappen Worten erklärte er, was er und sein Ärztestab herausgefunden hatten. Der Ara wurde immer unruhiger, da er sofort erkannte, daß der kleine Miclarc auch einen ungünstigen Einfluß auf die Mutanten haben konnte.
Dr. Mannes kam in großer Eile nach draußen. »Jetzt wird unsere Onkeltante gescheit!« rief er. »Bitte, kommen Sie.«
Der Ara-Mediziner schloß sich Dr. Kwain an. Er interessierte sich brennend für die Probleme des Kollegen, da er wichtige Hinweise für die Therapie der eigenen Patienten zu erhalten hoffte. Dies war nicht das erstemal, daß es innerhalb der Klinik durch verschiedene Kranke zu Abhängigkeiten kam. Paih Terzyu erinnerte sich an zwei terranische Patienten, die unter schwersten Lähmungserscheinungen gelitten hatten. Niemand konnte sich zunächst die Ursache der Nervenblockierungen erklären, bis zufällig Gehirnstrommessungen Aufschluß über latente parapsychische Fähigkeiten gaben. Diese standen in einem paraenergetischen Gegensatz zueinander und führten zu Unverträglichkeiten des motorischen Nervensystems. Das Krankheitsbild wurde überdeckt durch schwere vegetative Störungen, so daß die Symptome nicht eindeutig voneinander getrennt werden konnten. Erst als man einen der beiden Patienten in eine weit entfernte Klinik brachte, verschwanden die Beschwerden, die Paih Terzyu unter dem Begriff parapsychisch-vegetatives Syndrom zusammengefaßt hatte. Mit einer Arbeit über diesen Krankheitsfall hatte einer seiner terranischen Assistenten promoviert.
Jetzt fürchtete der Ara-Mediziner noch ungleich kompliziertere Abhängigkeiten, da hier zwei Miclarcs acht geistig noch instabilen Mutanten gegenüberstanden. Er glaubte bereits, der Lösung seiner Probleme nähergekommen zu sein.
Der erwachsene Miclarczwitter wanderte aufrecht in seinem Behandlungsraum umher. Seine Stielaugen starrten die Ärzte neugierig an. Als Dr. Kwain gegen die Scheibe der Kabine klopfte, blieb der Mic stehen.
»Gesund!« rief er. Dabei stieß er eine Reihe von zirpenden, auf- und abschwingenden Lauten aus, die von dem elektronischen Dolmetscher zu einem Wort zusammengefaßt wurden. »Nach Hause. Gesund.«
»Wir wollen erst noch ein paar Tage abwarten, bis wir wirklich wissen, ob das richtig ist«, sagte Dr. Kwain in ein Mikrophon, das aus der Wand ragte. »Vorläufig haben wir andere Sorgen. Wo ist das Baby?«
»Tollt umher. Übermütig.«
»Das ist verblüffend«, sagte Paih Terzyu. »Die Onkeltante macht einen ganz vernünftigen Eindruck.«
»Wir haben einen IQ von 67 gemessen«, erläuterte Dr. Mannes. »Und er steigt noch. Ich verstehe das nicht. Eigentlich müßte sich doch das Gehirn verändern. Das aber ist nicht der Fall.«
»Wir müssen das Baby finden«, fuhr Dr. Kwan Kwain fort. »Es ist sehr wichtig. Wir haben ermittelt, daß es einen gefährlichen Einfluß auf andere Kranke hat.«
»Nichts tun. Gesund. Nach Hause!«
»Warum eigentlich nicht?« fragte Mannes. »Wenn der Mic sich gesund fühlt und gern wieder nach Hause möchte, dann lassen wir ihn doch sausen. Vielleicht schließt sich ihm das Baby an. Dann sind wir unsere Sorgen los.«
Eine keifende Stimme lenkte sie ab. Eine Frau redete empört auf einen Eindringling ein. Offensichtlich versuchte sie vergeblich, ihm
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