Silberband 070 - Gehirn in Fesseln
mit einem Gehirn besaß. Rhodan fragte sich, warum man solche verkrüppelten Gehirne nicht sterben ließ.
In der dritten Reihe sah Rhodan eine schluchzende Yaanztronerin am Regal lehnen. Sie schien völlig verzweifelt zu sein. Rhodan vermutete, daß sie um eines dieser Gehirne trauerte.
Er senkte den Kopf und ging weiter. Er durchquerte den Raum zwischen den mittleren Regalreihen.
»Bordin!« rief eine Stimme. »Warte, Bordin!«
Rhodan erschrak, begriff aber schnell, daß ihm keine Gefahr drohte. Eines der Gehirne hatte nach ihm gerufen.
Er blickte sich um. Wie wollte er feststellen, wer mit ihm gesprochen hatte? In diesem Durcheinander von Stimmen war das nahezu unmöglich.
»In der dritten Reihe, Bordin!« Die Stimme überschlug sich fast. Sie mußte sich anstrengen, um den allgemeinen Lärm zu übertönen. »Der vierte Behälter neben den Halterungen.«
Rhodans Blicke fanden den bezeichneten Behälter. Ein faustgroßes Gehirnfragment schwebte darin. Es war nicht festzustellen, ob es einem Yaanztroner oder einem anderen Wesen gehört hatte. Jetzt war es unbrauchbar, sonst hätte es nicht hier unten in den Katakomben gestanden.
»Du siehst mich an, Bordin«, sagte das Gehirn. »Du hast mich gefunden.«
Rhodan wäre am liebsten geflohen, doch irgend etwas ließ ihn stehenbleiben und zuhören.
»Du mußt mich hier herausholen, Bordin!« Die Stimme klang beschwörend. »Ich gehöre nicht hierher. Hilf mir!«
Aus einem Lautsprecher in der Nähe klang irres Gelächter.
»Er gehört nicht hierher!« schrie eine andere Stimme. »Der arme Wayschron gehört nicht hierher.«
»Ich kann dir nicht helfen«, sagte Rhodan unbehaglich.
»Das ist ein öffentliches Gebäude«, sagte das Gehirn, das Wayschron hieß. »Jeder, der es für richtig hält, kann von hier Gehirne mitnehmen.«
»Kranke Gehirne!« sang jemand. »Kranke Gehirne mitnehmen! Kranke Gehirne mitnehmen!«
Rhodan preßte beide Hände gegen die Ohren. »Ruhe!« befahl er.
»Du siehst, daß ich klein bin«, sagte das Wayschrongehirn, als er die Arme wieder sinken ließ. »Du könntest mich noch in deinem Körper aufnehmen. Ich würde alles für dich tun.«
Dieses Gehirn schien völlig in Ordnung zu sein. Rhodan fragte sich, warum es hier unten auf sein Ende warten mußte. Warum half man diesem Gehirn nicht?
»Wir würden zusammen Kinder umbringen«, fuhr das Gehirn fort. »Das würde uns Spaß machen. Du mußt mich hier herausholen, Bordin.«
O nein! dachte Rhodan entsetzt.
Er konnte nicht länger stehenbleiben, sondern floh vor den Stimmen der Gehirne auf die andere Seite des Raumes. Aber sie verfolgten ihn, der Lärm der Lautsprecher war überall. Rhodan fand eine Nische und verkroch sich darin. Aber auch hier hörte er die Stimmen. Er sprang wieder auf und stürmte durch einen tunnelartigen Durchgang in den nächsten Raum.
Auch hier waren die Stimmen. Rhodan sah vierzehn Regalreihen mit Behältern darauf. Er wich in den Tunnel zurück. Hier war der Lärm gerade noch erträglich.
Rhodan-Tecto lehnte sich mit dem Rücken gegen die Wand und atmete schwer. Er hätte niemals hierherkommen dürfen. Jeder, der sich hier unten aufhielt, mußte früher oder später ebenfalls wahnsinnig werden.
Nachdem er sich beruhigt hatte, betrat Rhodan den nächsten Raum. Obwohl er sich dagegen gewappnet hatte, schlug der Lärm erneut über ihm zusammen und ließ ihn zurückweichen. Er zwang sich jedoch zum Weitergehen. Irgendwo hier unten mußte es auch Räumlichkeiten geben, in denen keine Gehirne aufbewahrt wurden. Wieder wurde nach ihm gerufen, aber er ignorierte die Hilfeschreie. Es war sinnlos, wenn er mit dem einen oder anderen Gehirn sprach. Helfen konnte er niemand. Er selbst brauchte dringend Hilfe.
Links und rechts von ihm waren Regale mit Behältern darauf. Er rannte und erreichte die andere Seite des Raumes. Vor ihm lag ein tunnelartiger Durchgang, dahinter ein anderer Raum mit Gehirnen darin. Rhodan ging weiter.
Endlich gelangte er in eine leere Halle, die in verkleinerter Form alles enthielt, was er oben bereits gesehen hatte. Hier jedoch waren an den Wänden Lautsprecher angebracht, die die Stimmen der Gehirne aus den anderen Räumen übertrugen.
Rhodan-Tecto trat hinter die Brücke. Wie er erwartet hatte, fand er auch dort eine Treppe, die noch tiefer in die Katakomben führte.
Vielleicht fand er dort unten die erhoffte Ruhe. Er sehnte sich nach Schlaf. Wenn er keine Ruhe finden konnte, würde er zusammenbrechen. Jeder Schwächeanfall konnte
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