Silberband 070 - Gehirn in Fesseln
Tod drohte, so müßten wir ihn jetzt hundertfach erdulden.«
»Man kann nur einmal sterben.«
»Du irrst! Man kann tausendmal sterben, aber was verstehst du davon, der du ein Fremder für mich bist? Nichts, überhaupt nichts.«
»Ich will auch nichts verstehen, Tecto, ich will nur fort von hier, zurück zu meiner eigenen Welt, wo immer sie auch sein mag.«
»Ist der Drang nach dem Gewohnten so stark, daß er selbst den Tod nicht scheut?«
»Er ist stärker, viel stärker, mein Freund. Und vor allen Dingen ist das Gehirn immer stärker als sein Körper, der ja nur seinen Befehlen gehorcht – so, wie du mir gehorchst.«
»Und wo ist deine Welt? Weißt du es denn?«
»Ich weiß es nicht, aber ich werde sie finden. Es gibt Wissenschaftler auf Yaanzar.«
»Sicher, es gibt vor allen Dingen Doynschto den Sanften, der mir als Paratransplantator dein Gehirn gab.«
Rhodan nickte. »Ja, und er ist es, der mir helfen wird.«
Der Gedanke war so überzeugend, daß der eigentlich nicht sehr intelligente Bordin keine Antwort gab. Vielleicht dachte sein Restbewußtsein darüber nach, warum ausgerechnet Doynschto ihnen helfen sollte.
Das Hungergefühl verstärkte sich trotz des frugalen Mahls. Der Durst war noch schlimmer. Rhodan nahm alle diese Empfindungen durch das Nervensystem des Bordins auf.
»Wir müssen weiter!« sagte er mehr zu sich selbst als zu dem Bordin. »Ich verhungere sonst.«
Er stand auf. Abermals durchwanderte er Korridore, Hallen und kleinere Räume. Alles war von einer sterilen Sauberkeit, die auf das Wirken gut programmierter Roboter hindeutete.
Plötzlich hörte Rhodan ein fernes Geräusch und blieb stehen. Es verklang, schwoll wieder an, in einem eintönigen, ermüdenden Rhythmus. Es war fast wie Gesang.
Dann war es Rhodan, als höre er schleichende Fußtritte, aber sie klangen wie das monotone Scharren von Metall auf Metall. Und es waren viele Fußtritte, so als bewege sich eine Kolonne von Robotern mit letzter Energie voran.
Rhodan gab sich einen Ruck und ging weiter, dem Geräusch nach. Weit vor sich konnte er erkennen, daß das Licht heller wurde. Er beschleunigte seine Schritte, weil er insgeheim befürchtete, nicht schnell genug zu sein, um die Roboter – oder was immer es auch war – noch einzuholen. Und dann blieb er wie angewurzelt stehen. In einer Nische verborgen, konnte er beobachten, was in der Halle vor ihm geschah. Es war ein unwirkliches Bild, das sich seinen beziehungsweise des Bordins Augen darbot.
Etwa zehn fast humanoid aussehende Roboter standen im Halbkreis um eine der Gehirnglocken, in denen eine abgestorbene graue Masse schwamm. Zwei weitere Roboter waren damit beschäftigt, das Lebenserhaltungssystem abzuschalten, während ein dritter die Glocke vom Podest nahm, sie öffnete und den Inhalt in einen undurchsichtigen Behälter entleerte, der an eine Urne erinnerte.
Einer der zehn singenden Roboter trat vor und nahm die Urne in Empfang, alle anderen trugen bereits eine.
Die Glocke wurde auf das Podest zurückgestellt, die drei Roboter gesellten sich zu den übrigen zehn und stimmten in den fast elektronisch anmutenden Gesang ein. Langsam setzte sich der Zug in Bewegung, genau auf Rhodans Versteck zu.
Die feierliche Prozession, die zugleich grotesk anmutete, zog dicht an ihm vorüber, hinein in den breiten Korridor, der zu einem unbekannten Ziel führte. Mit betonter Würde trugen die zehn Roboter die Urnen mit den abgestorbenen Gehirnen. Rhodan brauchte den Bordin gar nicht zu fragen, er wußte auch so, daß er Zeuge einer unheimlichen Bestattung wurde.
Vielleicht wurden die ›Toten‹ verbrannt, oder sie landeten in einer Konverteranlage, damit keine Energie verlorenging. Jedenfalls verschwanden sie für immer aus dem Tempel der klagenden Gehirne, um neuen Platz zu machen.
Rhodan widerstand dem fast hypnotischen Zwang, der Prozession zu folgen. Ihm war einen Augenblick sogar so, als hindere ihn das bislang so schwache Restbewußtsein Tectos daran, der immerhin noch seinen eigenen Körper besaß, wenn er auch jetzt Rhodan gehörte.
»Sie hätten uns töten müssen, wären wir von ihnen entdeckt worden«, teilte der Bordin entsetzt mit. »Es ist schon ein todeswürdiges Verbrechen, in den Tempel der Gehirne einzudringen, aber einer Bestattung zuzusehen – das ist … das ist ungeheuerlich.«
Auch ohne diesen Hinweis war es Rhodan klar, daß er ein furchtbares Verbrechen begangen hatte. Aber seine Ethik war eine andere als die der Yaanztroner.
»Sie haben
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