Silberband 070 - Gehirn in Fesseln
ein wenig, dann gehen wir ins Yaanztropa.«
»In dein Warenlager?« vergewisserte sich Rhodan und mußte unwillkürlich grinsen. »Ich bin sehr neugierig darauf.«
»Ich traue ihm nicht!« dachte Tectos Restbewußtsein warnend. »Ihm gefällt meine Person nicht, und er will ihre Identität verändern.«
Ebenso lautlos gab Rhodan zurück: »Er tut es deiner und meiner Sicherheit wegen. Er ist ein Freund.«
»Ich bin nicht sicher«, kam die Antwort.
»Wir haben keine andere Wahl, und wir müssen ihm vertrauen. Und nun sei still. Ich muß mich konzentrieren.«
Der Rote Anatom hatte von dem gedanklichen Zwiegespräch nichts bemerken können. Er stand noch immer lauschend neben Rhodan und wartete, bis das Licht über dem wieder geschlossenen Tor erlosch.
Dann sagte er: »Jetzt können wir es wagen. Ich hoffe nur, der von dir zerstörte Roboter hat keinen Alarm auslösen können, aber wenn doch, so vermuten uns die Wächter überall, nur nicht hier.«
Er glitt mit geschmeidigen Bewegungen aus dem gemeinsamen Versteck und huschte bis zum Tor, wo er stehenblieb und den Elektronen-Impulsschlüssel aus der Tasche zog und in einen kaum sichtbaren Spalt schob. Sofort leuchtete das mehrfarbige Licht auf, die Torflügel verschwanden in den Wänden – und der Eingang zur Grabkammer war frei.
Der Rote Anatom zog Rhodan mit sich, dann schloß er das Tor wieder. Mit geschickten Bewegungen seiner zwölf Finger schloß er dann die Leitung kurz.
»Die Lampe draußen ist erloschen«, sagte er. »Sie kann also durch ihr Leuchten nicht mehr verraten, daß sich jemand im Yaanztropa aufhält. Sieh dich um und folge mir!«
»Welch todeswürdiges Verbrechen!« jammerte Tecto lautlos. Rhodan gab diesmal keine Antwort. Er sah sich um.
Die Urnen standen in langen Reihen auf steinernen Tischen, die mit den Opfergaben gefüllt waren. Versiegelte Krüge mit Wein standen neben den typischen Gefäßen mit Nährflüssigkeit, die einem Gehirn ebenso zuträglich waren wie einem normalen Körper mit normalem Metabolismus. Auf winzigen Metallaltären lag vor jeder Urne eine Identifikationsmarke. Auch sie wurden den Gehirnen mitgegeben, damit sie sich an ihrem unbekannten Ziel ausweisen konnten. Es fiel selbst den halb Unsterblichen schwer, an das endgültige Ende des Seins zu glauben. Auch sie trösteten sich in das Jenseits hinein.
Der Rote Anatom drängte zum Weitergehen. »Hier gleich hinter dem Eingang müssen wir alles unverändert lassen, oder wir würden zu schnell entdeckt werden. Ich hole meine Handelsware stets aus den hinteren Kammern, die kaum noch benutzt und die von Robotern nur selten aufgesucht werden. Es kann Jahre dauern, bis sie dort eine Veränderung bemerken.«
Rhodan fügte sich den Anordnungen und Erfahrungen des Händlers, dessen Schlauheit und auch Skrupellosigkeit er allmählich zu bewundern begann. Aber der Rote Anatom war nicht das erste intelligente Lebewesen, das vom Aberglauben der anderen Vorteile herausschlug. Er unterschied sich von jenen anderen nur dadurch, daß er niemanden schädigte und keine Lebenden bestahl.
Sie schritten durch die langen Urnenreihen, vorbei an wertvollen Kostbarkeiten und Grabgaben. Hier war nichts angerührt worden, sah Rhodan, obwohl neben Nahrungsmitteln und Getränken die Reichtümer eines ganzen Planeten ausgebreitet auf den Tischen lagen.
Wie merkwürdig, dachte Rhodan bei sich, da muß man erst sterben, um reich zu werden – wenigstens hier auf Yaanzar.
Sie gingen fast eine halbe Stunde und durchquerten mehrere Säle, die einer wie der andere aussahen. Immer mehr Staub bedeckte die Tische, Urnen und Gaben.
Zum erstenmal konnte Rhodan auch feststellen, daß hier und da etwas fehlte. Die staubfreien Flecke bewiesen, daß erst kürzlich etwas weggenommen worden war. Er warf dem Roten Anatomen einen fragenden Blick zu, den dieser mit einem Grinsen beantwortete. Dann deutete er nach vorn.
»Dort, Danro, werden wir essen.«
Auf einem schmalen, langen Tisch standen mehrere Behälter, dazwischen fehlten einige. Sie waren durch Metallkappen verschlossen. Mit geschickten Bewegungen öffnete der Rote Anatom zwei und schob Rhodan einen der Behälter hin.
»Es ist konzentrierte Nährflüssigkeit von der besten Qualität, wie sie nur Gehirnen zukommen darf. Nun ja, schließlich haben wir ja auch ein Gehirn, du sogar zwei.«
Es schmeckte ein wenig süßlich, sonst aber angenehm und kräftigend. Rhodan meinte, die stärkende Wirkung sofort zu spüren. Er trank, bis er nicht mehr
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