Silberband 070 - Gehirn in Fesseln
Meldungen über die Lage. Es gab noch immer vereinzelte Kämpfe zwischen Aufständischen, die ein Stadtviertel an der Oberfläche besetzt hatten und verteidigten. Niemand wußte, woher sie die Waffen hatten, mit denen sie sich verzweifelt zur Wehr setzten. Die Polizei ihrerseits konnte ihre eigenen Machtmittel nicht voll einsetzen, weil die revoltierenden Parias angesehene Yaanztroner als Geiseln festhielten.
In geringer Höhe und mit stark reduzierter Geschwindigkeit nahm der Rote Anatom Richtung auf den Westteil der Stadt. Das Gebirge der augenlosen Seher war knapp sechshundert Kilometer von Nopaloor entfernt und lag in einem relativ unbewohnten Gebiet.
Zweimal näherten sich ihnen Polizeigleiter, aber als der Rote Anatom seinen Namen nannte, zogen sie sich wieder zurück und ließen ihn passieren. Sein Name genügte, um eine Kontrolle zu verhindern.
»Das geht nicht immer so gut«, sagte er und grinste Rhodan an. »Nicht alle Polizeioffiziere haben Respekt vor mir, einige hassen mich sogar. Das sind jene, die keine Geschäfte mit mir machen wollen oder können. Sie würden mir gern eins auswischen.«
»Warum besteht überhaupt dieser Alarmzustand, wenn der Aufstand lokalisiert werden konnte?«
»Einige der Anführer haben sich der Gleiter ihrer Geiseln bemächtigt und sind geflohen.«
Die Stadt unter ihnen bot fast das gewohnte Bild. Die eigentlichen Kämpfe fanden im Ostteil statt, fast fünfzig Kilometer entfernt. Sie berührten das Leben im Westteil Nopaloors kaum.
Am Horizont wurde bereits eine Auflockerung der Gebäudekomplexe erkennbar. Die Straßen wurden breiter, und immer mehr Parkanlagen belebten den sonst eintönigen Eindruck einer Riesenstadt. Schon wollte Rhodan aufatmen, als über die Informationsfrequenz ihr Gleiter von einer Patrouille angerufen und zur Landung aufgefordert wurde.
Der Rote Anatom blieb ruhig und gelassen. Er drosselte sofort die Geschwindigkeit und ging tiefer. Eine große Rasenfläche bot sich zur Landung an. Seitwärts über den flachen Häuserdächern erschienen drei Polizeigleiter und näherten sich ihnen schnell. Sie warteten, bis der Rote Anatom gelandet war, dann landeten auch sie und bildeten ein Dreieck. Bisher hatten sie noch nicht um Identifikation gebeten.
Rhodan wußte, daß nun die erste Prüfung bevorstand.
Der Rote Anatom öffnete die Ausstiegstür und erhob sich höflich, als ein Polizeioffizier in den Gleiter kam. Bewaffnete Posten nahmen rund um das Fahrzeug Aufstellung. Die Mündungen ihrer schweren Impulswaffen waren auf den Rumpf gerichtet.
Rhodan drehte sich um, blieb aber sitzen. Auf seiner Brust blitzte die Identifikationsmarke. Er sah in die forschenden Augen des anderen Bordins und bemühte sich, möglichst gleichmütig auszusehen.
»Identifikation!« befahl der Bordin-Offizier barsch und unterstrich seine Aufforderung, indem er die Hand auf den Kolben einer noch im Gürtel steckenden Waffe legte. »Zweck des Fluges!«
Der Rote Anatom verzichtete darauf, Papiere oder eine ID-Marke vorzuzeigen. Mit gelassener Selbstverständlichkeit sagte er ein wenig vorwurfsvoll: »Ich bin der Rote Anatom, der Händler. Die Erlaubnis zu diesem Flug erhielt ich gestern noch von Ihren Vorgesetzten.«
»Der Rote Anatom!« Der Polizeioffizier starrte ihn neugierig an. »Ich hätte es mir denken können. Trotzdem muß ich um einige Auskünfte bitten. Sie wissen selbst, daß in der Stadt Kämpfe zwischen Aufständischen und der Polizei stattfinden. Es sind einige der Anführer geflohen.«
Der Rote Anatom lächelte entwaffnend. »Halten Sie mich für einen von ihnen?«
»Nein, natürlich nicht.« Der Offizier warf Rhodan einen forschenden Blick zu. »Aber er ist ein Diener, wenn auch ein Mouschong. Wir erhielten Informationen, daß auch Diener der Klasse M an dem Aufstand beteiligt sein sollen.«
»Freie Diener? Das ist unsinnig! Welchen Grund sollten sie dazu haben?«
»Wie soll ich das wissen?« Der Offizier beugte sich vor und las die Daten von Rhodans ID-Marke ab, notierte sie sich und sagte dann: »Die Angaben werden überprüft. Leider fehlt noch eine Liste der verdächtigen ID-Marken. Aber weiter: Ihr Reiseziel, bitte!«
Rhodan fand, daß der Bordin noch einigermaßen höflich blieb. Das war sicherlich dem Ruf des Roten Anatomen zu verdanken, dessen Benehmen an Selbstsicherheit nicht mehr übertroffen werden konnte.
»Wir sind für heute im Drycnasch angemeldet.«
»Im Observatorium?« In der Stimme des Bordins war ehrliches Erstaunen. Aber dann kam
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