Silberband 077 - Im Mahlstrom der Sterne
altgriechische Göttin der Jagd, auftaucht …«
Bei diesen Worten blickte Rhodan zu Orana und zwinkerte ihr zu.
***
Rantho war ein Glückspilz, ein Kind der Götter. Da er auch selbst einiges wie Klugheit, List, Mut und Kraft ins Leben mitbrachte, hatte er es bis zu seinem achtzehnten Lebensabschnitt schon weit gebracht. Er wurde im Berg Moraur geboren, und das allein war schon mehr Glück, als ein Mucierer erwarten durfte. Denn Moraur war der größte Felsen in weitem Umkreis, er besaß die größte Hochebene mit den saftigsten Weiden und den fruchtbarsten Äckern und den meisten Felsvorsprüngen, auf denen ebenfalls Weidegründe, Fruchtbäume und -sträucher und andere Nährpflanzen gediehen. Nie fiel der Schatten einer anderen Felsenburg auf Moraur, denn es war auch der höchste Berg der Welt.
Dabei schien Ranthos Geburt unter einem bösen Vorzeichen zu stehen. Denn an diesem Tag wurde vom Ältestenrat verfügt, dass jedes zweite Neugeborene zu töten sei – nur alle ›ungeraden‹ Neugeborenen durften am Leben bleiben. Zu dieser Maßnahme sah sich der Ältestenrat gezwungen, weil das friedliche Leben in Moraur zu einer unerhört niedrigen Sterberate geführt hatte.
Nun entbrannte ein Wettstreit unter den Müttern auf Moraur, die knapp vor der Entbindung standen. Spionage und Gegenspionage wurden von den Vätern, deren Verwandten aller Grade und auch von Fremden bis zum Exzess betrieben. Die Mütter versuchten, die Geburt ihrer Kinder hinauszuzögern. Doch wenn die Spione berichteten, dass das Letztgeborene ein ›gerades‹ war, setzten sie alles daran, sich so schnell wie möglich ihrer Leibesfrucht zu entledigen, damit ihr Kind ein ›ungerades‹ war.
Rantho war ein Zweiter, also ein ›gerades‹ Kind, und sollte getreu dem Beschluss des Ältestenrats den Winden übergeben werden. Doch da schritt Zeus ein, wie sich der Gott der Welt nun rufen ließ. Damals erschien er allerdings in einer seltsamen Gestalt, so groß wie Moraur und mit einem Körper aus unzähligen Fäden, die sich zu einem dichten Gespinst vereinigten.
Rantho war gerade dem Wind übergeben worden, das heißt, man schleuderte ihn von der Hochebene in die Tiefe. Konnte er seine Flügel bereits gebrauchen und aus eigener Kraft auf einen der vielen rettenden Felsvorsprünge fliegen, durfte er weiterleben. Aber solches gelang innerhalb einer ganzen Generation nur höchstens einem einzigen Neugeborenen.
Rantho jedoch überlebte, weil die Fäden aus Zeus' Körper ihn aus der Luft fingen und ihn auf die Hochebene zurückbrachten und vor die Füße seiner Eltern legten. Der Ältestenrat akzeptierte das Gottesurteil, und so durfte Rantho leben. Er wuchs zu einem stattlichen Jungen heran, der schon zu seinem vierzehnten Lebensabschnitt die Flügelspannweite eines erwachsenen Mucierers hatte. In diese Zeit fiel auch, dass er die Prüfung als Feuerflieger bestand und in die Kaste jener Krieger aufgenommen wurde, die nicht nur mit Schwert, Speer und Pfeil und Bogen kämpfen durften, sondern die auf ihren Rücken auch Gestelle trugen, aus denen sie durch Schwarzpulver angetriebene Lanzengeschosse abfeuern konnten.
Rantho wurde bald zu einem geachteten und von den Frauen begehrten Krieger. Er wäre lieber allein geblieben, aber da es seinem Stand zukam, sich eine Frau zu halten, erwählte er Valsa zu seiner Gefährtin. Valsa hatte zarte, fast durchscheinende Flughäute von geringer Spannweite, was Rantho besonders reizvoll fand; sie beherrschte den Gleitflug perfekt, sie schwebte so majestätisch wie die Göttin der Luft dahin, dass Rantho jedes Mal die Erregung übermannte, wenn er ihr dabei zusah.
Valsa besaß aber noch viele andere Vorzüge, die Rantho immer wieder genoss, wenn er von einem Kriegszug zurückkam. Sie besaß die schönste Schuppenhaut von ganz Moraur, und sie schillerte im Sonnenlicht tiefviolett. Ihre Schnauze war lieblich, die kleinen Zähne waren spitz wie Nadelberge und ihre großen Augen, die bis zu den überempfindlichen Spitzohren mit den feinnervigen Ultraschallsendern reichten, glichen Spiegeln.
Im dritten Lebensabschnitt, den Rantho mit ihr zusammen war, nahmen sie das Wagnis auf sich, ein Kind zu zeugen. Rantho zitterte diesem Ereignis entgegen, weil er sein eigenes Schicksal kannte und instinktiv fürchtete, seinem Nachkommen könnte es ebenso ergehen. Und Grund zu dieser Befürchtung gab es genug, denn wieder einmal herrschte in Moraur strenge Geburtenkontrolle. Diesmal durfte sogar nur eines von zehn
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