Silberband 077 - Im Mahlstrom der Sterne
Weltuntergangsstimmung, so kehrten wir doch einigermaßen deprimiert in die Kommandozentrale zurück. Dort erwartete mich eine Neuigkeit, die mich die wenig erfreulichen Zukunftsaussichten gleich vergessen ließ.
***
Unter den unzähligen Meldungen, die wir von den fünfhundert Schiffen der Funkbrücke erhielten, befand sich eine, die die anderen in den Schatten stellte. Als ich mit den Mutanten in die Kommandozentrale zurückkam, war der Cheffunker, Major Donald Freyer, gerade mit ihrer Überprüfung beschäftigt.
»Wir haben unbekannte Funksignale empfangen«, berichtete mir Oberst Elas Korom-Khan. »Genaueres ist mir noch nicht bekannt. Aber in der Funkzentrale läuft die Auswertung auf vollen Touren. Soll ich uns einklinken?«
Ich winkte ab und begab mich persönlich in die Funkzentrale. Dort erfuhr ich vom Cheffunker Genaueres. Donald Freyer gehörte zur Stammbesatzung der MARCO POLO, er war sozusagen an Bord des Flaggschiffs in Ehren ergraut, was aber nur symbolisch zu verstehen war, denn trotz seiner siebzig Jahre zierte seinen brünetten Lockenschopf noch kein einziges graues Haar. Er war sich seiner schleppenden Aussprache vollauf bewusst, deshalb fiel er bei wichtigen Meldungen ins andere Extrem und gab dabei jedem Wort eine besonders scharfe Akzentuierung. In meiner Gegenwart gab er sich aber gelöster, wofür ich ihm dankbar war.
»Was hat es mit den Funksignalen auf sich, die Sie empfangen haben, Freyer?«, erkundigte ich mich.
Er machte eine verneinende Handbewegung. »Nicht die MARCO POLO hat die Funksignale empfangen. Wir haben sie von der HARLOWER übermittelt bekommen. Das ist ein Schwerer Kreuzer, der vierhundert Lichtjahre über der Nabelschnur Position bezogen hat. Wollen Sie reinhören?«
Er spielte mir das Signal vor. Viel war nicht zu hören, nur hier und da erklang zwischen den Störgeräuschen ein an- und abschwellendes Piepen. »Wir haben die Störgeräusche herausgefiltert, aber besser ging es nicht«, bemerkte Freyer dazu.
»Haben Sie etwas damit anfangen können?«, fragte ich.
»Sie meinen, ob es uns gelang, die Signale zu entschlüsseln?« Er schüttelte den Kopf. »Nichts zu machen. Wir haben sie mit den Funksignalen der fremden Schiffe verglichen, die Terra attackieren wollten, aber es besteht überhaupt keine Ähnlichkeit. Ich habe keine Hoffnung, dass wir sie entschlüsseln können, dafür sind sie zu verstümmelt. Einige Impulse wiederholen sich zwar immer wieder, aber das ist zu wenig. Interessant ist allerdings, dass es sich um Normalfunksignale handelt, also einfach lichtschnell. Sie müssen lange unterwegs gewesen sein. Dass die HARLOWER sie überhaupt empfangen konnte, ist dem Umstand zu verdanken, dass sie sich in einem relativ leeren Raumsektor befindet, der kaum unter dem Einfluss des Mahlstroms steht.«
»Wie lange waren die Funksignale unterwegs?«, wollte ich wissen.
»Darauf wollte man sich auf der HARLOWER noch nicht festlegen. Vielleicht weiß man inzwischen schon mehr darüber. Ich werde rückfragen.«
Während Freyer sich über die Relaisschiffe mit der fast 150.000 Lichtjahre entfernten HARLOWER in Verbindung setzte, hörte ich mir die Aufzeichnung immer und immer wieder an. Der Funkspruch konnte schon viele Jahrhunderte alt sein. Möglicherweise lebten die Absender überhaupt nicht mehr.
Obwohl Hyperfunkwellen praktisch in Nullzeit parsekweite Entfernungen überbrückten, entstand durch die Zwischenschaltung der Relaisstationen eine kurze Zeitverzögerung. Deshalb vergingen einige Minuten, bevor Freyer auf seinen Anruf Antwort erhielt.
Der Funkspruch der HARLOWER kam in Klartext: »Es ist uns nach wie vor nicht gelungen, die Funksignale zu entschlüsseln«, ertönte eine nur leicht verzerrte Stimme. »Aber die Wahrscheinlichkeitsberechnungen haben ergeben, dass es sich mit ziemlicher Sicherheit um einen Hilferuf handelt. Allerdings ist er längst nicht mehr aktuell.«
Es entstand für einige Sekunden Funkstille, die wahrscheinlich durch den Ausfall einer Relaisstation zu erklären war. Dann kam die Stimme wieder, diesmal etwas deutlicher.
»Wer immer auch den Notruf abgegeben hat, die Hilfe dürfte für ihn zu spät kommen. Der Funkspruch wurde vor rund 450 Jahren abgegeben. Wir sind den Funksignalen nachgegangen und auf eine Sonne im Randgebiet des Mahlstroms gestoßen. Dort, in der Peripherie, sind die energetischen Turbulenzen kein nennenswerter Störfaktor, sodass wir eine ziemlich aufschlussreiche Fernortung bekommen haben. Die von uns
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