Silberband 081 - Aphilie
Serie von Kraftwerken, die nach dem inzwischen ausgereiften Nugas-Schwarzschild-Prinzip arbeiteten. Die SOL war in der Lage, intergalaktische Entfernungen mit Hilfe ihrer Sextadim-Triebwerke mühelos und in kürzester Zeit zu überbrücken. Im Innern der Galaxien operierte sie mit Hilfe eines Lineartriebwerks mit nahezu unbegrenzter Reichweite.
Noch eine Besonderheit wies die SOL auf: Ihre Bestandteile, die beiden Kugeln und der Zylinder in der Mitte, ließen sich voneinander trennen und konnten selbstständig operieren. Die Bewaffnung jedes Teilstücks war ausreichend, um alle bekannten Gefahren abzuwehren. Die SOL würde die heimatliche Galaxis mühelos erreichen und sich selbst gegen eine Flotte larischer SVE-Raumschiffe erfolgreich zur Wehr setzen können.
Die SOL war die Gestalt gewordene Hoffnung der Menschheit, von der heimatlichen Sonne nicht für immer getrennt zu sein.
Die SOL war nahezu fertig gestellt, als sich unerwartet ein Schatten über die Erde und die Menschen senkte. Es sah zunächst so aus, als zerstörte eben der Umstand, dass das Raumschiff, in dem sich alle Hoffnungen vereinten, so gut wie fertig gestellt war, den Zusammenhalt der Menschen untereinander. Sie schienen – von Tag zu Tag deutlicher – einer des anderen Feind zu werden, jeder darauf bedacht, nur den eigenen Vorteil zu wahren. Erst mit der Zeit wurde offenbar, dass die SOL nicht wirklich mit dieser seltsamen Veränderung zu tun hatte. Etwas anderes war wirksam geworden, ein übler Geist, der wie eine Krankheit die Menschen befiel und sie übermannte. Und ehe diejenigen, die von ihrer Berufung her über das Wohl der Bevölkerung zu wachen hatten, es sich versahen, hatte die Gefahr Ausmaße angenommen, die den Erfolg alles bisher Erreichten in Frage stellten.
Das war die Situation in jenem denkwürdigen Juli 3540, in dem der Aufstand gegen den Großadministrator schon längst eingeleitet war.
Von Vater Ironside wusste niemand, woher er kam. Im Laufe der vergangenen Wochen hatte er sich in Terrania City einen Namen gemacht. Unter freiem Himmel hielt er Predigten, die sich auf Anhieb nicht viel anders anhörten als die Reden anderer, die im Gefolge der Ereignisse des letzten Jahrhunderts das unmittelbar bevorstehende Ende der Welt verkündet hatten. Aber irgendetwas war an seinen Predigten, was den Menschen tiefer unter die Haut ging als die pathetischen Worte der Weltuntergangsverkünder. Er sprach viel vom Teufel, der sich anschickte, die Menschen zu besitzen, und er wusste auf packende Weise aus seiner Erfahrung Begebenheiten zu schildern, die seine Hypothese untermauerten.
Im Laufe kurzer Zeit wurden seine Predigten zu den bestbesuchten Veranstaltungen in der Hauptstadt. Aber immer noch wusste niemand, wer Vater Ironside war, woher er kam und was er wirklich beabsichtigte. Man wusste nicht einmal, wie er wirklich hieß und wo er wohnte. Am Ende seines Vortrages verschwand er stets auf geheimnisvolle Art und Weise, und niemand konnte ihm folgen.
Auch an diesem Abend hatte Vater Ironside es verstanden, sich von seinen Zuhörern in einem Park am Nordrand der Stadt zu lösen, ohne Spuren zu hinterlassen. Er schritt kräftig aus und erreichte etwa zwei Kilometer vom Park entfernt einen Zugang zum unterirdischen Rohrbahnsystem. Mit der Rohrbahn fuhr er mehrere Stationen weit in Richtung Stadtmitte. Der Platz, an dem er ausstieg, war das Zentrum eines der älteren Viertel der Hauptstadt. Straßen und Gebäude stammten zumeist noch aus der Zeit des dritten Jahrtausends. Hier gab es riesige Appartementhäuser mit Wänden, die fast nur aus Metall und Glas bestanden, eingelagert in nicht besonders großzügige Grünflächen. Die Straßen waren übermäßig breit und machten einen derart hohen Prozentsatz der bebauten Fläche aus, dass moderne Städteplaner schauderten.
Auf einen der altmodischen Glas- und Stahlpaläste schritt Vater Ironside zu. Kurz vor Mitternacht war die Straße so gut wie verlassen. Sonnenlampen verbreiteten dennoch taghelles Licht – auch dies ein Ausdruck überalterter Planung, die noch nicht begriffen hatte, dass die Dunkelheit der Nacht ein natürliches Ereignis war, das nicht einer Mode zuliebe aus dem Leben der Menschen verbannt werden durfte. Am Haupteingang des Glaspalastes wurde Vater Ironside von einem Wachroboter aufgehalten, der mindestens so alt war wie das Gebäude selbst.
»Wie ist Ihr Name?«, erkundigte sich das Maschinenwesen.
»Man nennt mich Vater Ironside.«
Ohne weitere Überprüfung
Weitere Kostenlose Bücher