Silberband 082 - Raumschiff in Fesseln
weiter.
Als wir den Versammlungsraum betraten, erhoben sich die Anwesenden. Freundlich lächelnd ging ich zum Podium.
Nach der Begrüßung forderte ich meine Helfer auf, die für heute vorgesehene kultische Handlung ablaufen zu lassen. Es handelte sich um eine Art Frage-und-Antwort-Spiel, das im Schein von zahllosen Kerzen und in monotonem Tonfall abgehalten wurde.
Die Frager waren meine Helfer, die alle Probleme, Hoffnungen und Zweifel der Terraner, aber auch die Arroganz und Machtbesessenheit der Unterdrücker auszudrücken versuchten. Ich hatte in schicksalhaftem Ton zu antworten und hervorzuheben, dass es gar keinen Zweifel am baldigen Erscheinen Vhratos gab und dass mit seinem Erscheinen die Befreiung der Menschheit beginnen würde.
Als ich der ersten Versammlung dieser Art beiwohnte, hatte ich sie als kitschig empfunden. Erst später war mir klar geworden, dass es gerade der kultische Rahmen war, der die Menschen in seinen Bann zog und es ermöglichte, sie mit an sich banalen Versprechungen seelisch aufzurichten.
Nach der Vorstellung schickte ich einen Helfer hinaus zu den beiden Wächtern. Kurz darauf kehrte er mit Gert und Jonas zurück. Alle waren mit großen Plastiksäcken beladen.
Ich prüfte den Inhalt der Säcke und stellte fest, dass der Hohepriester seine Zusicherung eingehalten hatte. Der Inhalt bestand aus kleinen Paketen, die außer echtem Kaffee und Tee je eine Flasche Branntwein sowie Medikamente enthielten, die in jedem Haushalt vorhanden sein sollten, den Sklaven aber vorenthalten wurden.
Ich wies meine Helfer an, die Pakete zu verteilen. Die Menschen waren überglücklich, als sie die Dinge sahen, die sie normalerweise entbehren mussten, und beinahe hätte ich dem Báalol-Priester gegenüber Dankbarkeit empfunden. Ich erinnerte mich rechtzeitig daran, dass ich ihm dafür bares Geld zahlen musste.
Mit Maldya und ihrer Mutter verließ ich unauffällig den Saal, während die Menschen ihrer Freude und Dankbarkeit noch in Jubelrufen Ausdruck verliehen.
7.
Als Maldya am nächsten Morgen ging, um rechtzeitig ihre Arbeit bei der Familie des Überschweren Tukor Rymel zu beginnen, fiel ich ins Grübeln. Eigentlich hätte das Kommando, das mich vom Mars abholen sollte, längst eintreffen müssen. Meine Gefühle waren zwiespältig. Einerseits wäre ich gern bei Maldya geblieben, zum anderen musste ich den Mars bald verlassen, wollte ich nicht entlarvt werden.
Natürlich hätte ich in Verhören mein Geheimnis nicht preisgegeben. Doch die Überschweren würden bei einer genauen Untersuchung sicher meine Biomaske entdecken und das Gesicht, das darunter zum Vorschein kommen musste, würde ihnen wohl bekannt sein. Vor allem die Narben der Lashat-Pocken verrieten meine Identität. Ich hatte die Infektion mit der normalerweise tödlichen Erkrankung überstanden und als Beweis dafür die entstellenden Narben zurückbehalten. Sie waren meine Legitimation als risikofreudiger Spieler und Abenteurer gewesen. Leider war den Überschweren bekannt, dass Ronald Tekener, der Mann mit dem Narbengesicht, für den USO-Chef und Lordadmiral Atlan gearbeitet hatte. Sobald sie mich identifizierten, würden sie daraus schließen, dass Atlan mich auf den Mars geschickt hatte – und sie würden nicht zögern, dieses Wissen an die Laren weiterzugeben und sie gegen das NEI aufzubringen.
Atlan und ich waren ein großes Risiko eingegangen, und es sah ganz so aus, als ob es uns nichts einbringen würde. Ich fragte mich, ob es noch eine Möglichkeit gab, Leticron zu beseitigen und damit die Bahn für einen Nachfolger frei zu machen, der nicht vom gleichen fanatischen Hass auf die Menschheit erfüllt war wie der Diktator.
Wenigstens hatte ich die Lage im Solsystem gründlich sondieren können. Besonders gut war ich über die Verhältnisse auf dem Mars informiert. Hier lebten rund hundert Millionen Terraner, fünfzig Millionen Überschwere und fünf Millionen Angehörige anderer galaktischer Völker.
Ich fuhr mit dem nächsten Rohrbahnzug zur Colderan-Arena, die etwas außerhalb von Marsport City lag. Noch waren keine Zuschauer anwesend. Die Spiele fanden immer nachmittags statt. Dafür waren eine Menge Sklaven dabei, das Rund der Arena zu säubern, Sand aufzuschütten und die Sitzreihen in Ordnung zu bringen.
Ich hatte keine Schwierigkeiten, den Tiermeister zu finden. Den Arenameister selbst aufzusuchen wäre als Anmaßung eines Sklaven ausgelegt worden, denn der Meister aller Spiele und der Arena war ein
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