Silberband 082 - Raumschiff in Fesseln
Dämmerung, die nur von den Atomsonnen der Siedlungen durchbrochen wurde. Wenn die Karte stimmte, die sie von der Reiseleitung erhalten hatten, lagen etwa zwanzigtausend Kilometer vor ihnen. Der Gleiter flog nicht sehr schnell.
Nach mehreren Stunden landete Tigentor auf einer Hochebene, die der Wind vom Schnee frei gefegt hatte. Im Schatten eines aufragenden Felsens setzte er den Gleiter auf und schaltete die Magnetverankerung ein. Die Saturnringe standen schräg am Himmel und verbreiteten ein dämmriges Zwielicht.
»Ich übernehme die erste Wache«, sagte Grammlond. »Wenn ihr schlaft, kann ich in Ruhe espern. Vielleicht finde ich Tekener.« Er lehnte sich im Sessel zurück und schloss die Augen, um sich besser konzentrieren zu können. Tigentor und Barratill waren innerhalb weniger Minuten eingeschlafen.
Draußen tobte der Sturm mit unverminderter Heftigkeit.
Nach dreistündigem Marsch blieb Shmitten stehen und erklärte: »Es tut mir Leid, aber ich bin vom Weg abgekommen. Wir sollten das Abbaugebiet der Schwämme längst erreicht haben. Seht ihr etwas von dem Gebirge?«
»Die Sicht ist miserabel«, sagte Walter dumpf. »Vielleicht haben wir einen Bogen gemacht. Gibt es nichts, um die Richtung zu bestimmen?«
»Höchstens die Ringe, aber die sehen je nach Wetterlage anders aus. Andererseits werden wir bestimmt schon vermisst.«
Minus 140 Grad Celsius herrschten. Da kaum mehr Schnee fiel, waren die Ringe deutlich zu erkennen. Sogar einzelne Sterne schimmerten durch die ewige Dämmerung und ließen den Weltraum jenseits der Atmosphäre erahnen.
Shmitten marschierte nun bergan, einem lang gestreckten Hügel entgegen, der die Sicht versperrte. »Von der Kuppe aus werden wir uns besser orientieren können«, hoffte er.
»Alles ist deine Schuld«, jammerte Coresan. »Wären wir doch nur nicht durch den Kristallwald gefahren.«
»Halt den Mund!«, herrschte Walter ihn an. »Es ist nun mal geschehen, und nun müssen wir irgendwie zum Lager zurückfinden. Aber vielleicht fällt uns noch was Besseres ein.«
Als sie endlich den Kamm erreichten, erwies sich Shmittens Vermutung als zutreffend. Vor ihnen lag eine Ebene, die in etwa zwei Kilometern Entfernung am Fuß eines nicht sehr hohen, aber steilen Gebirges endete. Kalteens scharfe Augen erkannten dunkle Punkte, die sich bewegten: Menschen in Raumanzügen! Dazwischen größere Flecken, die er ohne Schwierigkeit als Raupenfahrzeuge identifizieren konnte.
»Bald haben wir es geschafft«, seufzte Shmitten erleichtert.
In diesem Augenblick schaltete Siral wieder auf ihre Helmfrequenz um. Aufgeregt teilte er mit: »Die Überschweren haben die Jagd auf uns freigegeben! Sie haben nicht einmal einen Tag lang abgewartet, diese Schweine!«
»Was bedeutet das – Jagd freigegeben?«, fragte Walter verwirrt.
»Falls jemand nicht ins Lager zurückkehrt oder nicht an der Arbeitsstelle erscheint, wird automatisch ein Fluchtversuch unterstellt, so sinnlos dieser auch sein mag. Sogar wenn Gefangene in Not geraten, werden sie zum Abschuss für Touristen freigegeben. Zum Glück gibt es nur wenige Überschwere, die zum Vergnügen wehrlose Sklaven töten. Die meisten kümmern sich nicht um uns, das ist alles. Im Grunde ist es also nicht ganz so schlimm, wie es sich anhört.«
»Aber es wird uns auch niemand helfen?«
»Wieso sollten sie?«
Die Ebene war nicht so leicht zu überqueren, wie es vom Hügel aus gewirkt hatte. Es gab tiefe Spalten, auf deren Grund Ammoniakpfützen schimmerten. Riesige Felsbrocken versperrten Weg und Aussicht, und einmal wäre Shmitten beinahe in ein Schneeloch gestürzt und versunken.
Das Abbaugebiet der Schwämme hatten sie inzwischen aus den Augen verloren, konnten sich aber immer noch an den Bergspitzen orientieren. Seltsamerweise war der Funkempfang taub, was Shmitten mit magnetischen Einflüssen erklärte, die in diesem Gebiet häufig vorkamen.
Als sie endlich die Ausläufer des Gebirges erreichten, verschwand die Fahrzeugkolonne der Gefangenen gerade am Horizont in südlicher Richtung. Shmitten fluchte unbeherrscht.
»Ich wusste es!«, jammerte Coresan.
»Halt den Mund!«, herrschte Walter ihn an. »In unseren Anzügen ist Sauerstoff für mehrere Tage, wir können also getrost bis morgen warten.«
Kalteen kletterte auf einen Hügel, um eine bessere Übersicht zu erhalten. Zum ersten Mal sah er eine Art von Vegetation auf dem Saturn, die außerhalb der schützenden Kuppeln gedieh. Im ersten Augenblick hätte man die Gewächse an der
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