Silberband 083 - Kampf um die SOL
wiederholte seine Frage.
»Ja. Vorausgesetzt, du erklärst meine Abwesenheit. Ich habe in vier Stunden Dienstbeginn.«
»Ich bin der Chef dieser Mission!«, sagte Trevor Casalle ohne jede Überheblichkeit.
»Solange die Kranken mit den Eingeborenen quatschen, bin ich unruhig«, sagte Heylin Kratt. »Oberst Tranz teilt meine Meinung.«
Trevor Casalle warf einen Blick auf die Datumsanzeige und sagte abschätzend: »Ich bin kurz vor oder nach dem Dunkelwerden zurück. Schikanieren Sie Pert und Pointier nicht. Beide sind krank und reagieren anders als wir. Aber sie brauchen Gefühle für das Gelingen ihrer Arbeit, und daran liegt mir sehr viel.«
»Selbstverständlich, Sir!« Kratt blickte dem Gleiter nach. Die Tatsache, dass er Casalles Ideen unterstützte, bedeutete für ihn eine gute Chance für die Zukunft. Der Aufenthalt auf einem unbekannten Planeten war voller Gefahren, deshalb hatte er einen kleinen Sender in den Gepäckraum des Gleiters geheftet. Falls Unvorhersehbares geschah, erfuhr er binnen kurzer Zeit den Standort. Casalle konnte ihm nur lebend etwas nützen.
Kratt dachte an die Kranken. Sie hielten sich schon wieder in der Siedlung der Winzlinge auf und badeten in krankhaften Gefühlen. Er schüttelte sich und ging zurück ins Schiff.
In der Schleuse blieb er stehen und folgte den Arbeitsteams mit seinen Blicken. Bodenproben, tausend Analysen … und das alles war sinnlose Beschäftigung. Der Planet würde niemals von der Menschheit betreten werden. Dafür würde Trevor Casalle sorgen.
22.
Die zwergenhaften Eingeborenen haben noch nicht einmal den Schimmer der Helligkeit reiner Vernunft gesehen. Sie ernähren sich von Beeren und Pilzen. Die Natur versorgt sie mit allem. Gegenstände des täglichen Bedarfs werden in unrationell arbeitenden kleinen Faktoreien hergestellt, in denen Fachleute, Hobbyisten und Kinder zusammenarbeiten. Es gibt keine Normen. Verblüffend ist jedoch, dass sie sich von abgerichteten, erkrankten Tieren ernähren. Diese Tiere, vergleichbar terranischem Miniatur-Rotwild, treffen an bestimmten Tagen an einer bestimmten Stelle zusammen und fallen tot um. Die Kadaver dienen den Eingeborenen als Bratenfleisch, die Felle als Decken. Die Behauptung, die dieser Epidemie unterlegt wird, ist hinreichend grotesk …
Expeditionsbericht
Leela zog sich mit sichtlicher Mühe wieder aus dem Haus hervor. Sie war Gast von Caaloo und Doonee gewesen, die kinderlos lebten. Langsam richtete sich die Frau auf und sagte zu Saiwan: »Ich bin überrascht. Ich glaube, ich halte es nicht mehr aus, ins Schiff und in die Aphilie zurückzugehen.«
»Ich kann dich verstehen.« Saiwan Pert sah lachend zu, wie Caaloo mit einem Krug und vier Gläsern aus dem Haus kam. Er wusste seit langem, dass Leela trotz aller Tüchtigkeit anfällig war. Sie ertrug jede körperliche Strapaze und alle Erniedrigungen, die ihr Status als Kranke mit sich brachte. Aber eines würde sie umbringen: der Augenblick, an dem sie nicht mehr lieben konnte. Saiwan betrachtete dieses Problem keineswegs flüchtig – er wusste, wie tief ihre Liebe war und wie groß der Schock sein konnte. Bisher hatte er selbst jeden Ansatz von Panik leicht und schnell unterdrückt.
Caaloo teilte die gefüllten Gläser aus. Es war frühester Morgen.
»Dieses Haus lässt mich zweifeln, dass ich noch zurückkann«, seufzte Leela.
»Warum?«
Saiwan kannte es flüchtig, aber er würde den Türrahmen aufbrechen müssen, wollte er in den rund fünfundzwanzig Quadratmeter großen Wohnraum hineinkriechen.
»Es zeigt einen wahnsinnig hohen Standard. Wir haben völlig falsche Vorstellungen von Caaloo und Doonee und den anderen.«
Während sie den frischen und ein wenig aufputschenden Wein tranken, berichtete Leela, und die Dukes korrigierten oder erklärten.
Auf dem Boden der Wohnräume wuchs ein feines, teppichartiges Moos, das je nach Versorgung mit Nährstoffen Farbe und Muster wechselte. Die Mauern bestanden aus einem Stein, der lange Zeit weich formbar blieb und an der Luft erstarrte – aber nur an einem bestimmten Tag. Der Bau neuer Behausungen verlief also auf eigentümliche Weise. Jedes Jahr zweimal konnten Häuser fertig gestellt werden. Kleine Werkstätten lieferten die benötigten Haushaltsgegenstände. Jeder ging von Zeit zu Zeit handwerklichen Tätigkeiten nach. Die Wände waren voller Bilder und Bücher. Die Kommunikation zwischen den Dukes war eine Mischung zwischen höchster biopositronischer Perfektion und reiner Natur; die
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