Silberband 083 - Kampf um die SOL
Geruch von Meer und Algen mit sich brachte.
»Ich weiß nicht mehr über Terra als du. Und keine von uns hat eine Ahnung, wie die Erde heute ist. Wir müssen das Schlimmste annehmen.«
Das erste Zeichen, das wohl niemand falsch gedeutet hatte, war das Ausbleiben der Schiffe gewesen. Kernot Hildenbrandt hatte sein Ehrenwort verpfändet, so bald wie möglich zurückzukommen. Die betreffende Aufzeichnung lag in der Stadtchronik. Die Kinder waren aufgewachsen, ohne dass die LISSABON wieder auf Ovarons Planet gelandet war. Die Frauen hatten vierzig Jahre lang auf ihre Männer oder Freunde gewartet. Vergebens. Niemand war gekommen. Bis zum heutigen Tage nicht.
»Wir sind darauf vorbereitet, das Schlimmste vorzufinden«, erklärte Nano entschlossen.
Nach dem langen Warten hatten mehr und mehr Frauen mit ihren Kindern das Stadtzentrum verlassen. Sie hatten kleine Häuser gebaut und angefangen zu jagen und Felder bestellt. Heute umgab ein lockerer Ring von Blockhäusern, versteckt unter Bäumen, hinter Büschen und Holzzäunen, den Stadtkern aus Stahl, Glas und Plastik. Aber noch funktionierte das Zentrum. Viele der Mädchen von einst – heute waren sie junge Frauen – fanden die Art, wie ihre Mütter ihr Leben nach der großen Enttäuschung gestaltet hatten, nicht richtig.
»Wann kommen Terry und Marhola?«, fragte Nayn.
»Ich warte auf sie, wir sind hier verabredet«, erklärte die Dunkelhäutige.
»Ich dachte es.«
Auf Ovarons Planet, zwischen dem tropischen Urwald, der Sierra und dem Meer, existierte eine separierte und isolierte Gesellschaft von Frauen. Die Farmhäuser ließen erkennen, dass sich jede Familie einigelte, selbst versorgte und in eine Scheinwelt flüchtete. Die Stadt mit ihren Versorgungseinheiten wurde von der Mehrheit der Bewohnerinnen längst ignoriert.
»Nano«, sagte Nayn leise, »ich weiß, ich stelle die Frage schon zum hundertsten Mal: Wird uns jemand auf der Erde helfen?«
»Rechne lieber nicht damit«, sagte die Mathelogikerin hart. »Wir werden auch niemandem unsere Adresse geben.«
War die Erdbevölkerung komplett aphilisch? Galten noch die Berichte von Hildenbrandt und den Älteren?
Auf Ovarons Planet hatte eine unerklärliche Krankheit den männlichen Nachwuchs dahingerafft. Die Ärztin selbst wusste nicht, ob es ein Virus oder Mord gewesen war. Alle verdächtigten Casira Falanga, eine latente Aphilikerin, deren Krankheit erst Jahre nach der Landung offen ausgebrochen war. So lange hatte sie als Normale gelebt, bis sie entlarvt worden war.
»Niemand wird erfahren, woher wir kommen.«
Marhola war die gewählte Regierungschefin von Ovarons Planet, Terfy und Nayn gehörten ebenfalls der Regierung an. Das bedeutete, dass die wichtigsten Personen des Planeten auf die Erde gesandt wurden. Aber auch, dass andere Frauen ihre Ämter übernehmen würden.
»Dort kommen sie! Ich kann den Gleiter sehen.«
Die Maschine mit Terfy und Marhola näherte sich vom Strand her. Bald würden sie zu viert das Training fortsetzen.
Nach Abschluss der langen und intensiven Vorbereitungen starteten sie. Obwohl sich nur wenige Frauen am Raumhafen einfanden und ihnen mehr lustlos als begeistert winkten, waren die Gedanken aller bei ihnen.
Die Reise verlief ohne Zwischenfall. Das kleine Raumschiff, das Major Hildenbrandt zurückgelassen hatte, funktionierte perfekt. Sie schafften es, die Koordinaten exakt zu bestimmen und einen Kurs zu fliegen, der sie sehr nahe an der Erde aus dem Linearraum fallen ließ.
Aber danach begannen die Gefahren erst wirklich.
Am dreißigsten August des Jahres 3580, genau vierzig Jahre nach dem Aufbruch der drei Schiffe nach Ovarons Planet, erblickten die vier Frauen die Erde und den Mond in der Umlaufbahn der Sonne Medaillon. In der Ortung zeichneten sich die Echos der Wachschiffe ab.
Nano Balwore lächelte kühl. Sie hatte die Kontrollen übernommen und bereitete sich darauf vor, den Kordon der Schiffe zu durchbrechen.
»Wir geben uns einfach als ein Erdschiff aus«, sagte Marhola ohne viel Hoffnung. »Wenn sie uns fragen, finden wir sicher eine Ausrede.«
»Illusionistin«, raunte Nayn Taibary.
Die Space-Jet flog auf geradem Kurs der Erde entgegen.
29.
Gegenwart
Nach zwanzig Minuten erfasste die erste Nahortungsstation die Jet. Die Frauen zuckten zusammen, als eine Robotstimme erklang.
»Identifikation! Ziel und Start des Flugs, Zweck und Hafen!«
Nano erwiderte: »Patrouillenboot Alpha-97. Spezialwachauftrag über Luna. Wir fliegen Terrania City an.«
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