Silberband 086 - Inferno der Dimensionen
Ironside zu bedenken.
»Was heißt bei einem Aphiliker? Sehen Sie mal fünfzig Lastengleiter in Formation auf sich zukommen. Ich behaupte, dass dann auch jedem Immunen das Herz in die Hose rutscht.«
Ironside antwortete nichts darauf. Er starrte vor sich hin auf die Tischplatte.
»Sie haben etwas gegen Ozur Vailenstain, nicht wahr?«, erkundigte sich Bull.
Ironside zuckte mit den Schultern. »Es ist nicht meine Art, etwas gegen jemand zu haben«, antwortete er ernst. »Es ist etwas anderes. Der Mann kommt mir … nun, unheimlich vor. Ich fröstle in seiner Nähe.«
Bull füllte sein Glas nach. »Sie sollten mehr von diesem Zeug trinken. Dann frösteln Sie nicht mehr.«
Aber Ironside ließ sich von Bulls guter Laune nicht anstecken. »Es erscheint mir fast schon wie ein Wunder, dass wir bislang unbehelligt geblieben sind«, sagte er. »Und das ohne ausreichende Sicherheitsvorkehrungen. Jeder, der sich unserer Organisation anschließen will, wird zugelassen. Ist es überhaupt denkbar, dass die Aphiliker in Terrania City nicht längst versucht haben, Agenten bei uns einzuschleusen?«
»Casalle kämpft an anderer Front«, hielt Reginald Bull ihm entgegen.
»Und Parkutta? Porta Pato?«, fragte Ironside. »Wir haben mittlerweile mehrere tausend Roboter auf dem Gewissen. Wo die Regierung eine Strafexpedition ansetzen will, schlagen wir zu und …«
»Die Ordnung ist ohnehin nur noch Makulatur«, fiel ihm Bull ins Wort. »Die Menschen werden aufsässig. In der Hauptstadt hat niemand mehr Zeit, auf uns zu achten. Worauf wollen Sie überhaupt hinaus? Halten Sie Vailenstain für einen aphilischen Agenten?«
Vater Ironside hob abermals die kräftigen Schultern. »Warum nicht?«
Später am Abend hielt Reginald Bull sich im Rechenzentrum auf. Die Logik des Glaubens hatte sich mit Positroniken aus ehemaligen Bürogebäuden ziemlich komfortabel eingerichtet. Von diesem Rechenzentrum aus liefen abhörsichere Kommunikationskanäle in alle Bereiche der Erde und hinauf zum Mond. Bull war gekommen, um sich über die Vorgänge rund um den Globus zu informieren. Während er die Nachrichten abrief, spukten ihm Vater Ironsides merkwürdige Bemerkungen im Kopf herum.
Ozur Vailenstain war vor etwa zehn Tagen im Getto von Shanghai aufgetaucht. Er war ein kräftiger, hochgewachsener Mann von schwer bestimmbarem Alter, neunzig bis hundert, schätzte Bull. Er hatte erklärt, von der Organisation gehört zu haben und Mitglied werden zu wollen. Niemand hatte ihm das verwehrt. Vater Ironside predigte ohnehin das Wort von den Kindern, die man jederzeit zu sich kommen lassen solle. Vailenstain war aufgenommen worden. Fragen nach seiner Herkunft waren nur wenige gestellt worden.
Er ähnelte so gar nicht dem typischen Mitglied der Logik des Glaubens, dem hilflosen Gettobewohner, der sich von Raub und dem Durchwühlen der Müllhalden ernährte und dem die Todesfurcht ständig im Nacken saß. Ozur Vailenstain war intelligent; die Welt der Aphilie schien wie für ihn geschaffen. Mit der Kraft seines Geistes hätte er sich zu den höchsten Ämtern emporarbeiten können. Warum er diesen Weg nicht gegangen war, blieb sein Geheimnis.
Reginald Bull hatte ihn seitdem einige Male bei Einsätzen beobachten können. Vailenstain schien frei von Furcht … ein merkwürdiger Zug an einem Aphiliker, wie auch Vater Ironside bemerkt hatte. Der Gedanke, Vailenstain für einen Agenten der aphilischen Regierung zu halten, war Bull bisher nicht gekommen. In diesem Augenblick hielt er ihn sogar für absurd. Kein aphilischer Agent setzte sich zehn Tage lang abwartend in ein Wespennest. Jeder Spitzel der Regierung hätte längst dafür gesorgt, dass das Hauptquartier Shanghai ausgehoben würde.
Die Nachrichten waren weitgehend belanglos. Nichts deutete darauf hin, dass die Strafexpeditionen von der südostasiatischen Küste in einen anderen Teil der Welt verlegt werden sollten. Bull schaltete wieder ab und machte sich auf den Weg zu seinem Quartier. Es ging auf Mitternacht zu, und kaum noch jemand war unterwegs.
Nach einer halben Meile bog Bully in den Seitenkorridor ab, an dem die Mannschaftsquartiere lagen. Er teilte mit Vater Ironside ein aus vier Räumen bestehendes Appartement, aber er durfte sicher sein, den Mönch um diese Zeit nicht zu Hause anzutreffen. Weiter hinten im Gang hatte sich Ironside wie in jeder Stadt, in der er sich länger als nur einen oder zwei Tage aufhielt, eine Kapelle eingerichtet. Dort pflegte er um Mitternacht seine Andacht zu
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