Silberband 088 - Der Zeitlose
wirklich einfach. Die Batterie hält ein paar Jahre, deshalb braucht ihr euch keine Gedanken zu machen.«
»Wer übernimmt die erste Wache?«, fragte Marboo.
»Ich«, entgegnete Kanube mürrisch. »Ihr könnt euch inzwischen nach einer Katze umsehen.«
Marboo hatte vor wenigen Tagen den Wunsch geäußert, eine Katze zu sich zu nehmen. Diese Tiere streunten, ebenso wie herrenlose Hunde, überall in der Stadt herum.
Kanube nutzte den Wunsch der Frau als Vorwand. Sobald die beiden anderen ihn verlassen hatten, würde er seine Sachen packen und verschwinden.
Marboo schien zu zögern, aber Speideck fasste sie am Arm. »Kommen Sie, Marboo!«, sagte er und zog sie sanft mit sich weg.
Minuten später war Kanube allein.
Das Ortungssystem leuchtete auf. Langur verließ die Antigravwabenröhre und sah, dass die HÜPFER über einer riesigen Stadt schwebte. Gemessen an ihrer Ausdehnung und ihrem gewaltigen Raumhafen, musste es die Hauptstadt der rätselhaften Zivilisation sein.
»Ich schätze, dass dort unten mehrere Millionen Individuen gelebt haben«, sagte Langur zu der Rechenkugel. »Die Verwaltung einer solchen Stadt ist ohne zentrales System nicht möglich.«
»Vorausgesetzt, dass sich die Ansprüche der Unbekannten wenigstens entfernt mit den deinen decken«, schränkte LOGIKOR ein.
Langur gab ein humorvolles Pfeifen von sich. Für kurze Zeit vergaß er alles, was ihn belastete. Forschungseifer erfüllte ihn.
»Kannst du dir vorstellen, dass die Bewohner einer solchen Stadt anspruchslos sind?«, fragte er die kleine Kugel. »Die Vielfalt der Formen und Farben zeigt deutlich, dass es in dieser Stadt wenig kollektive Einrichtungen gibt. Diese Wesen waren Individualisten.«
»Keine Rechenanlage kann die Bedürfnisse von mehreren Millionen Individualisten gleichzeitig befriedigen«, sagte LOGIKOR kategorisch.
»Materiell sicher«, widersprach Langur. »Aber bestimmt nicht in philosophischer Hinsicht. In einer solchen Stadt müssen unvorstellbare soziologische Spannungen entstanden sein.«
Diesmal schwieg der Rechner. Es fiel ihm schwer, etwas über abstrakte Begriffe auszusagen.
»Wenn derart viele Intelligenzen auf verhältnismäßig engem Raum zusammenleben«, fuhr Langur fort, »muss es zu psychologischen Problemen kommen. Jede Zivilisation strebt im Allgemeinen zur Dezentralisierung – hier war es offenbar genau umgekehrt.«
»Diese Schlüsse sind voreilig.«
»Mag sein«, gab Douc Langur zu. »Ich gehe von Informationen aus, die mir zur Verfügung stehen.«
Er musste aufpassen, dass er LOGIKOR nicht verwirrte und auf falsche Spuren lockte. Langur hatte keinen Vorteil davon, wenn der Rechner sich in einem Wust von Spekulationen verlor.
»Lösche den letzten Teil unseres Gesprächs!«, befahl er. »Ich werde dir sachliche Informationen geben, vielleicht kommst du dann zu einem Ergebnis.«
Eine Zeit lang begnügte er sich damit, LOGIKOR über Anzahl, Farbe, Form und Ausdehnung einzelner Gebäude zu berichten. Dabei ging er völlig unsystematisch vor, denn er konnte nicht beurteilen, welche Bauwerke wichtig waren und welche ausschließlich als Unterkunft gedient hatten.
Nach einiger Zeit stellte er fest, dass die Stadt aus Bezirken unterschiedlicher Bedeutung bestand. Langur konnte sich nicht vorstellen, dass die Baumeister Wert darauf gelegt hatten, die Wichtigkeit eines Gebäudes durch äußerliche Kennzeichen hervorzuheben. Bestenfalls die Lage gab Hinweise.
Er fertigte eine Reliefkarte der Stadt an und markierte dabei alle wichtigen Bezirke. Besonders leicht, die hervorstechende Bedeutung festzustellen, war es im Gebiet des Raumhafens.
Wie Langur vermutet hatte, gab es eine Zentrale. Der Bezirk war so groß und durch seine Lage derart exponiert, dass Douc Langur überzeugt davon war, die rechnerische Zentrale dieser Zivilisation gefunden zu haben.
Seine in aller Eile vorgenommenen Ortungen bewiesen, dass die Zentrale energetisch tot war – sie funktionierte nicht mehr. Die Theorie, dass das Verschwinden der unbekannten Eingeborenen mit dem Ausfall der Rechenzentrale zusammenhing, schien sich zu bestätigen.
Bedachte man Langurs Standpunkt, dann war seine Feststellung überaus scharfsinnig. Immerhin hatte er eine Zentrale gefunden, wenn auch nicht die, die er gesucht hatte.
Sein Forschungsdrang hatte Langur nach Imperium-Alpha geführt …
Eine ermüdende statistische Arbeit hatte begonnen, die in erster Linie aus Messen, Peilen und Orten bestand. Auf diese Weise hoffte Douc Langur, sich
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