Silberband 088 - Der Zeitlose
senkte sich die SZ-2 auf den Raumhafen von Sol-Town hinab. Atlan hatte die Landegenehmigung erteilt. Gäa war ein überraschend erdähnlicher Planet, die Sonne Prov erinnerte an Sol. Vielleicht lag es daran, dass sich die Neue Menschheit hier heimisch fühlte. Ich war dennoch nicht bereit, Gäa als endgültige Heimat zu akzeptieren. Für mich war und blieb die Erde der Planet der Menschen, zudem eine Erde, die sich auf altgewohnter Bahn im Solsystem bewegte.
Obwohl es bereits spät war, wandte ich mich an die Chefredaktion von Gäatel, der größten Fernsehgesellschaft in Sol-Town. Ich äußerte den Wunsch, mich über die politische Entwicklung der letzten hundert Jahre zu informieren. Man war sofort bereit, mir entsprechendes Filmmaterial zur Verfügung zu stellen.
Gucky, Fellmer, Ras, Ribald und ich teleportierten in einen Vorführraum, der mit der Hauptpositronik und damit dem Filmarchiv von Gäatel verbunden war. Ein Team von fünf Technikern erläuterte uns das System, sodass wir die Arbeit schon bald aufnehmen konnten. Sie ließen uns allein.
»Atlan ist unterrichtet worden«, teilte Fellmer mit. »Er hat keine Einwände erhoben.«
»Vermutlich glaubt er an einen Sinneswandel bei dir«, bemerkte Ribald.
Die Nacht ging rasend schnell vorbei. Wir arbeiteten ohne Pause bis in den frühen Morgen. Dann wussten wir alles über Gäa, was für uns wichtig erschien. Ich konnte nicht umhin, Atlans Aufbauarbeit zu bewundern, das NEI konnte sich sehen lassen.
Für zwei Stunden kehrten wir auf die SZ-2 zurück. Danach meldete Fellmer mich beim Sekretär des Politikers Prim Honestenge an. Honestenge war der Fraktionsvorsitzende der Oppositionspartei Soziale Kooperative. Diese Partei hatte, wie ich nun wusste, Atlan in den letzten Jahrzehnten erhebliche Schwierigkeiten bereitet. Ihre politische Linie war nicht unbedingt mein Fall, aber darauf kam es jetzt nicht an.
Fellmer Lloyd lächelte zufrieden, als er zu mir in die Kabine kam. »Der Sekretär war völlig überrascht«, berichtete er. »Ich habe ihm keine Zeit gelassen, erst bei seinem Chef nachzufragen. Als ich erfahren hatte, dass Honestenge in seiner Villa ist, beendete ich das Gespräch.«
»Wir brechen sofort auf«, sagte ich.
Gucky materialisierte neben mir. »Teleportieren wir?«, fragte er unternehmungslustig.
»Dieses Mal nicht. Wir wollen Honestenge zwar überrumpeln, aber es wäre übertrieben, direkt in sein Wohnzimmer zu springen. Wir nehmen einen Gleiter.«
»Dahin können wir aber wenigstens teleportieren.« Der Ilt ergriff meine Hand und die von Fellmer und brachte uns in einen Gleiterhangar.
Fellmer flog. Das Haus des Politikers zu finden war nicht schwierig.
Sol-Town war ein architektonisches Wunderwerk und in drei großen Ringen aufgebaut. Im innersten Areal befanden sich die Geschäfts- und Verwaltungszentren. Dort lag auch das Regierungsgebäude mit Atlans Büro. Durch weite Grünanlagen abgetrennt, folgte der zweite Ring mit Vergnügungs- und Einkaufszentren. Es gab riesige Paläste ebenso wie winzige Bars – insgesamt eine Mischung, in der sich jeder wohl fühlen konnte. Ich bedauerte, dass ich noch keine Zeit gefunden hatte, mich dort umzusehen. Weitere Grünanlagen bildeten den Übergang zum äußeren Ring mit den Wohngebieten und zahlreichen Sportanlagen. Hier bewohnte Prim Honestenge eine Villa, die schon von außen erkennen ließ, dass er keineswegs zu den Ärmsten von Gäa gehörte.
Wir landeten hinter dem Haus neben zwei luxuriösen Gleitern.
Fellmer blickte mich seltsam an, als wir ausstiegen. »Das wird schwierig«, sagte er und schritt voraus bis zur Tür. Dort legte er seine Hand auf eine Kontaktplatte.
Gucky folgte mir verdächtig langsam.
Ein uniformierter Diener trat uns entgegen. Er war bleich und nervös. »Mister Honestenge bedauert, Sir«, sagte er zu mir. »Er ist unabkömmlich.«
»Mister Honestenge sitzt am Kamin und dreht Däumchen«, erklärte Gucky mit schriller Stimme, in der sich seine Wut spiegelte. »Soeben habe ich ihm das Witzblatt, in dem er las, telekinetisch aus den Händen gerissen. Ich hab's ins Feuer geworfen.«
»Perry«, sagte Fellmer zögernd. »Honestenge hat mit Atlan gesprochen. Er will nicht. Atlan hat ihm den Rat gegeben, sich verleugnen zu lassen, obwohl er sich vor uns Telepathen nicht verstecken kann.«
»Aber Sir … wir …«, stammelte der Diener.
In mir kochte es. Ich entsann mich nicht, jemals so gedemütigt worden zu sein. Ich stand vor der Tür eines Hauses und musste mir
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