Silberband 090 - Gegner im Dunkel
Garten nötigte mir Bewunderung ab, aber ich hätte ihn nicht gegen meinen eintauschen wollen. So herrlich die immer blühenden Pflanzen auch anzusehen waren, mir erschienen sie wie Produkte aus der Retorte. Was ich mit meinen eigenen Händen zog, an dem konnte sich mein Herz mehr erfreuen als an ewiger, aber steriler Schönheit.
Harrerath hatte mir schon einige Male Audienz gewährt, doch nie hatte er mich in seinem Palast empfangen oder war mir persönlich gegenübergetreten. Auch diesmal führten mich die GALANSCH-Beamten in den Bunker.
Der Raum, in den ich gebracht wurde, war mir längst vertraut. Er war bis auf einige Besuchersessel leer. Eine Wand wurde zur Gänze von einer riesigen Bildprojektion eingenommen. Als ich Harrerath darauf zum ersten Mal gesehen hatte, stand er im zwölften Jahr seiner Regentschaft – und so alt war er auch gewesen. Aber aufgrund dessen, was ihm seine 20.000 Väter an Wissen und guten Eigenschaften auf seinen Lebensweg mitgegeben hatten, hatte er als Kind schon als Weiser gegolten.
Jetzt, als dreißigjähriger Feyerdaler, in der Blüte seines Lebens stehend, musste er sein Amt an ein Neugeborenes abtreten. Er würde im ersten Lebensjahr des neuen Regenten noch eine beratende Funktion ausüben – doch würde er sich damit abfinden können?
Als sich die Projektion aufbaute und Harrerath überlebensgroß zu sehen war, unterschied er sich nur durch seine Kleidung von anderen Feyerdalern. Er besaß keine äußerlichen Merkmale, die das geistige Erbe seiner Väter erkennen ließen.
»Kinderfinder«, richtete er das Wort an mich, »man wird dir schon berichtet haben, dass verbrecherische Elemente den Generationswechsel sabotieren wollen.«
»Jawohl, Wohlgeboren«, sagte ich. »Ein Grauvater hat sich im Tal des Lebens eingenistet und will das Kind der Sh’majino zum Bösen beeinflussen.«
Er blickte mich vom Schirm durchdringend an. »Findest du das schrecklich, Kinderfinder?«
»Jawohl, Wohlgeboren, es ist ein verabscheuenswürdiges Verbrechen, das da geplant wird. Ich werde alles tun, was in meiner Macht steht, um dieses Verbrechen zu verhindern.«
»Was veranlasst dich eigentlich dazu, Kinderfinder, deine Fähigkeiten für ein fremdes Volk einzusetzen? Was für einen Grund hast du, dein Leben in den Dienst von uns Feyerdalern zu stellen?«
»Die Feyerdaler haben mir auf Kursobilth ein Zuhause geboten. Ich bin der Letzte meiner Art, mein Volk ist nicht mehr. Ich wäre denselben Weg wie mein Volk gegangen, hätten die Feyerdaler meinem Leben nicht wieder einen Sinn gegeben.«
»So einfach ist also die Antwort«, sagte Harrerath. »Manchmal habe ich mir überlegt, ob du deine Tätigkeit für uns Feyerdaler überhaupt mit deinem Gewissen vereinbaren kannst. Du hast nicht unsere Mentalität und wurdest in einer anderen Weltordnung geboren, hattest andere Ansichten von Moral, musstest andere Gesetze befolgen.«
»Ich bin Gast der Feyerdaler und demzufolge verpflichtet, mich ihrer Ordnung zu beugen, Wohlgeboren«, erwiderte ich irritiert.
»Sich einer fremden Ordnung zu beugen oder für sie zu kämpfen, das ist doch zweierlei«, sagte der Regent. »Kannst du als Gast das Gesetz vertreten, indem du Mitglieder deines Gastgebervolks richtest?«
»Ich wurde darum gebeten, Wohlgeboren.«
»Missverstehe mich nicht, Kinderfinder, ich zweifle nicht an deiner Treue und Redlichkeit. Doch ich muss dich fragen: Bist du in deinem Innersten überzeugt, dass du wirklich auf der Seite des Guten stehst, wenn du für das Gesetz der Feyerdaler kämpfst? Oder sind dir schon einmal Zweifel gekommen? Hast du irgendwann Sympathie für die Minderkinder empfunden, die du gejagt und den zuständigen Behörden übergeben hast?«
Endlich war mir klar, worauf er hinauswollte.
»Ich beschwöre«, sagte ich feierlich, »dass ich meine Tätigkeit als Kinderfinder mit meinem Gewissen vereinbaren kann. Minderkinder sind auch nach meinem persönlichen Empfinden psychisch gestörte Wesen, die einer fürsorglichen Behandlung bedürfen. Und die bekommen sie im Kinderzwinger.«
»Wenn das wirklich deine ehrliche Meinung ist, dann spreche ich dir meine Hochachtung aus«, sagte Harrerath. »Doch solltest du irgendwelche Bedenken haben … mir kannst du dich anvertrauen. Ich habe Verständnis für die Nöte aller Geschöpfe.«
»Ich fühle mich psychisch stark genug für meine Aufgabe«, versicherte ich.
»Dann muss ich dir glauben«, sagte Harrerath. »Coopter erklärte mir deinen Plan. Er ist sehr gewagt, du
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