Silberband 091 - Die Terra-Parouille
Mullin ein.
»Ach so«, erwiderte der Regelerschaffer. »Ich wollte mich nur erkundigen, ob es Ihnen hier gefällt oder ob Sie irgendwelche Beschwerden haben.«
»Wir finden es sehr schön hier«, sagte Asuah.
Rezalsrohn vollführte einige Verrenkungen, wobei er ein paar Formalsätze sagte, danach verließ er den Gemeinschaftsraum.
»Diese Regelerschaffer und Unfehlbarkeiten!« Goor Toschilla schüttelte den Kopf. »Ich begreife nicht, wie die Kaiserin von Therm derart degenerierte Schwachsinnige als Verbindungsleute einsetzen kann.«
Der Wind war nicht stärker geworden, dennoch rollten immer höhere Wogen heran, als wollten sie uns gegen die schroffen Uferfelsen werfen. Sagullia Et stöhnte und krümmte sich.
»Ich sterbe!«, jammerte er.
»Das ist die Seekrankheit«, erklärte ich. »Ziehen Sie die Riemen ein und atmen Sie tief und ruhig durch. Wenn es nicht anders geht, müssen Sie eben die Fische füttern. Sie …«
Ich brachte meine Erklärung nicht mehr zu Ende. Hektisch zog Sagullia die Riemen ein, umklammerte mit beiden Händen die Bordwand und beugte sich würgend vor. Natürlich fühlte er sich sterbenselend. Das ging jedem so, der zum ersten Mal seekrank wurde. Nur hatte der Ärmste keine Ahnung gehabt, dass es so etwas wie Seekrankheit überhaupt gab.
Ich sah, dass wir wieder einmal auf eine weit vorspringende Landzunge zutrieben, und packte die Riemen fester. Um Sagullia konnte ich mich nicht mehr kümmern.
Schnell kamen wir der Klippe näher. Es war erstaunlich, dass unser schmales Boot noch nicht umgeschlagen war. Offenbar verfügte es über einen besonders schweren Aussenkiel.
Sagullia würgte inzwischen mit leerem Magen. Ich wollte ihm zurufen, den Brechreiz zu unterdrücken, damit es nicht zu einem Erstickungsanfall kam. Aber in dem Moment schlug eine gewaltige Welle über dem Boot zusammen.
Als ich wieder sehen konnte, war Sagullias Platz leer. Ich wandte den Kopf nach Steuerbord, denn nur dorthin konnte die Woge ihn gerissen haben. Tatsächlich sah ich ihn, rund fünf Meter entfernt, spuckend, hustend und wild mit den Armen rudernd.
»Aushalten!«, rief ich.
Nach einem neuerlichen Blick auf die nahe Klippe fand ich mich damit ab, dass unsere Seereise beendet war, denn ich konnte nur rudern oder Sagullia retten. Beides ging nicht. Das Boot trieb zwar hinter ihm her, und ich beugte mich weit vor, um ihn greifen zu können, aber eine zweite Woge schleuderte mich beinahe ebenfalls über Bord. Ich schluckte Wasser, rang nach Luft, und dann erwischte ich irgendwie Sagullias Hände und zerrte ihn in die Barke zurück.
»Danke!«, ächzte er.
»Wir werden ohnehin gleich schwimmen müssen«, erwiderte ich. »Die Klippe …«
Erst jetzt bemerkte ich, dass der schroffe Fels bereits hinter uns lag. Das Boot trieb, sich langsam drehend, aus der Gefahrenzone.
Ich atmete erleichtert auf.
»Wie geht es Ihnen?«, fragte ich.
»Mir ist nicht mehr schlecht, aber dafür wird mir kalt.«
Ich nickte. Das Wasser selber war warm, da es die tagsüber empfangene Sonnenwärme speicherte und im Verlauf einer Nacht nur einen Teil davon wieder abgab. Aber der Nachtwind war empfindlich kühl, vor allem, wenn man ihm mit triefend nasser Kleidung ausgesetzt war.
»Nehmen Sie die Riemen und bewegen Sie sich!«, sagte ich. »Das ist die beste Vorbeugung gegen eine Lungenentzündung. In ein paar Stunden dürften wir die Bucht der blauen Geier erreicht haben.«
Wir kamen eine Zeit lang trotz des Wellengangs gut voran. Allerdings registrierte ich besorgt, dass wir uns immer weiter vom Land entfernten. Da sich Yuurmischkohn, von der Station der Regelerschaffer aus gesehen, weit nach Südwesten krümmte und die Bucht der blauen Geier nur wenige Kilometer hinter dem südwestlichen Landvorsprung liegen sollte, durfte ich jedoch hoffen, dass die Strömung uns nicht zu weit vom Ziel abtreiben würde.
Als zirka eine Stunde später die Sonne aufging, legten wir eine Pause ein. Die Küstenformationen waren nur undeutlich als düstere Masse zu erkennen, da sie sich hinter Nebelschleiern verbargen. Nur die Gipfel der höchsten Berge ragten über den Nebel hinaus.
Unter einem dieser Gipfel musste die Kontaktzentrale liegen – und hinter dem Nebel arbeiteten sich Cesynthra Wardon und Honth Pryth-Fermaiden durch die Wildnis. Hoffentlich stieß ihnen nichts zu.
An Steuerbord und etliche Kilometer von uns entfernt sprangen hohe Klippen weit ins Meer vor. Eine von ihnen war vom Festland durch einen schmalen Meeresarm
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