Silberband 091 - Die Terra-Parouille
keine Ahnung, was sie so aufsässig machte. Es brach mir fast das Herz, sie töten zu müssen, aber letztlich blieb mir keine andere Wahl …«
Während er sprach, hatte er sich abgewandt und war ein paar Schritte in den Laborraum hineingegangen. Die Männer folgten ihm.
»Du hast den Rest des Gebäudes in die Luft gesprengt?«, fragte der Stämmige erstaunt.
»Mitsamt den Tieren!« Chara gab sich den Anschein, dass ihm die Erinnerung daran fast das Herz brach.
»Lebst du alleine hier?«
»Ja.« Chara Shamanov glaubte, einen leisen Zweifel in den Augen des Fremden zu sehen, und kam der nächsten Frage zuvor: »Ich danke euch, dass ihr meinem Ruf gefolgt seid. Ihr habt keine Ahnung von meiner Verzweiflung. Als ich die Tiere … umgebracht hatte, hielt ich es hier nicht mehr aus und habe mich den ganzen Tag und den größten Teil der Nacht im Schnee herumgetrieben.«
Der Stämmige nickte knapp. »Das verstehe ich. Übrigens: Mein Begleiter ist Bluff Pollard, ich bin Walik Kauk. Wir wollen morgen nach Terrania City weiter. Du bist eingeladen, mit uns zu kommen. Aber du kannst auch hier bleiben. Wir haben dir genügend Fleischkonzentrat mitgebracht.«
Shamanov quoll über vor Dankbarkeit. »Ich weiß nicht, wie ich das jemals wettmachen soll! Die Einladung nehme ich natürlich gerne an. Wenn ich an die Einsamkeit in den letzten Tagen denke …«
Kauk und Pollard verabschiedeten sich schließlich. Shamanovs Einladung, in den Laborraum überzusiedeln, hatten sie abgelehnt. Bei Sonnenaufgang würden sie über ihre weiteren Pläne beraten.
»Hast du seine Augen gesehen, Bluff?«, fragte Walik, als im matten Sternenlicht der Hovercraft vor ihnen auftauchte.
»Merkwürdig, oder? Unsteter Blick, ein seltsames Funkeln …«
»Ich würde sagen, der Mann hat einen Sparren weg«, bemerkte Walik. »Kann natürlich sein, dass das von der Belagerung und der Explosion herrührt und sich in den nächsten Tagen wieder legt. Kann aber auch sein …« Den Rest des Satzes sprach er nicht aus. Bluff wusste trotzdem, was er meinte. Sie hatten es schwer genug gehabt, mit Baldwin Tingmer zurechtzukommen. Dabei war Tingmer nur ein gewöhnlicher Fall von Alkoholismus. Es war nicht schwer, sich auszumalen, wie es sein würde, wenn sie einen Geistesgestörten in die Gemeinschaft aufnahmen.
»Noch etwas anderes fiel mir auf«, sagte Bluff plötzlich.
»Was?«
»Eine der Türen in der rückwärtigen Wand war nicht ganz geschlossen. Ich konnte hindurchblicken. Dahinter gibt es einen kleinen Lagerraum mit Gestellen bis an die Decke.«
»Ja …?«
»Ich sah Stapel von Paketen mit gelbrotem Etikett. Konkam, stand auf den Etiketten.«
Walik blieb abrupt stehen. »Fleischkonzentrat?«, stieß er hervor.
»Sieht so aus. Konkam war einer der Namen, unter denen die Konzentrat-Kombinate ihre Produkte verkauften, wenn ich mich richtig erinnere.«
»Du erinnerst dich goldrichtig, mein Junge!«, schnaufte Walik Kauk. »Und eine Menge davon ist da, sagst du?«
»Genug, um einen Mann wenigstens zwei Jahre lang am Leben zu halten.«
»Warum hat er uns dann nach Talovka geschickt?«
»Genau das frage ich mich auch. Ich sage dir, Walik: Da ist einiges nicht ganz geheuer!«
Als sie in die Kabine kletterten, wachte Baldwin Tingmer auf. »Was ist los?«, fragte er schläfrig.
»Der Vogel ist ins Nest zurückgekehrt. Kennst du diesen Biophysiker eigentlich näher?«
»Ich bin ihm nie persönlich begegnet. Aber sein Bild war oft genug in den Nachrichten.«
»Groß? Fleischig bis fett? Hält sich leicht vornübergebeugt? Strähnige blonde Haare, Baumellippe?«
»Du sagst es, Bruder! So sieht Shamanov aus. Außerdem spricht er hastig und verhaspelt sich ziemlich oft.«
»Klarer Fall«, entschied Bluff Pollard. »Das ist Chara Shamanov.«
Sie berichteten Tingmer von der ersten Begegnung.
»Das stinkt drei Meilen gegen den Wind«, brummte der ehemalige Ingenieur. »Aber eines könnten wir wenigstens nachprüfen.«
»Und das wäre?«
»Zwei Spuren führten von hier fort. Wenn nur eine wieder hereinführt, dann hat Shamanov uns wenigstens in diesem Punkt nicht angelogen.«
»Manchmal hast du ganz schlaue Ideen«, sagte Bluff spöttisch und anerkennend zugleich.
»Hüte deine Zunge, mein Sohn!«, knurrte Baldwin in gespieltem Ärger. »Sonst muss ich sie dir eines Tages festnähen!«
Sie rüsteten sich mit Lampen aus und verließen die Kabine erneut. Nur Augustus blieb zurück. Walik meinte, es gäbe keinen besseren Wächter für das
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