Silberband 093 - Abschied von Terra
Übertritt in den Linearraum eine Sache weniger Sekunden.
Verzweifelt fragte sich Vigeland, was er noch tun konnte, um das Verhängnis aufzuhalten, das unerbittlich auf ihn zukam …
Nach mehreren Linearmanövern waren die Verfolger abgeschüttelt. Die Bilanz, die Nos Vigeland dann zog, war niederschmetternd. Er hatte zwei Raumschiffe und ihre Besatzungen und durch Energierückschläge sogar in der VERDENKAAR siebenundzwanzig Frauen und Männer verloren.
Am meisten aber bedrückte ihn das Scheitern seines Versuchs, Runeme Shilters Zellaktivator zu vernichten. Hotrenor-Taak konnte weiter an seinem Plan arbeiten.
Vigeland fragte sich, ob ihm noch Tage, Wochen oder Monate blieben. Aber egal, wie groß die Gnadenfrist auch sein mochte, sie war auf jeden Fall zu kurz, denn er wollte nicht sterben.
In seiner Verzweiflung entschloss er sich, die einzige Erfolg versprechende Möglichkeit wahrzunehmen, die ihm noch blieb, die Kontaktaufnahme mit Julian Tifflor. Da er mit dem Terraner nicht direkt in Verbindung treten konnte, musste jemand seine Nachricht übermitteln.
Er wusste von einer NEI-Agentin namens Berly Salvoni, die auf dem Planeten Pata-Pata im Sonnensystem Koloseia stationiert war. Zwar kannte er die Agentin nicht persönlich, er war auch nie auf Pata-Pata gewesen, aber er hatte die Information vor zwei Jahren von Verntoser erhalten.
Die Besatzung der VERDENKAAR nahm den Befehl, das Koloseia-System anzufliegen, mit Erleichterung auf. Wahrscheinlich hatten alle befürchtet, weiterhin Shilters Zellaktivator nachjagen zu müssen.
Vigeland ließ das Flaggschiff in einen geostationären Orbit über dem Planeten einschwenken. Zusammen mit fünfzehn schwer bewaffneten Ertrusern bestieg er ein Beiboot.
Pata-Pata war eine feuchtheiße Dschungelwelt. Einige tausend Auswanderer aus der terranischen Region Afrika hatten sie vor Jahrhunderten zu ihrer neuen Heimat erkoren. Sie waren das Klima gewohnt und hatten außerdem der übertechnifizierten Gesellschaft Terras entkommen wollen. Da nicht einmal Fabriken errichtet worden waren, hatten die Laren Pata-Pata als unbedeutend eingestuft und sogar auf Kontrollsatelliten verzichtet.
Das Beiboot landete am Rand eines Hochplateaus, fünf Kilometer von einer größeren Stadt entfernt. Maungu bestand nur aus zirka dreitausend Rundhütten, die in konzentrischen Kreisen um einige größere Ziegelbauten angeordnet waren.
Zwei Schwebegleiter brachten Vigeland und elf Begleiter zur Stadt. Die Siedler waren hochgewachsene schwarzhäutige Frauen und Männer, die bis auf Perlenschnüre und knappe Lendenschurze unbekleidet waren. Trotz ihres offensichtlichen Rückfalls in die Primitivität verrieten sie mit keiner Geste, dass sie von dem Auftauchen der beiden Flugapparate beeindruckt waren.
Die Gleiter setzten zwischen zwei Rundhütten auf. Einige nackte Kinder verschwanden, als die Ertruser ausstiegen.
Vigeland ließ sich den ersten besten Einheimischen vorführen. Das Gesicht des Mannes verriet Unwillen, aber keine Furcht.
»Wie heißt du?«, fuhr Vigeland ihn auf Interkosmo an, irgendwie erwartend, dass die Interlingua der Milchstraße auf Pata-Pata seit Jahrhunderten in Vergessenheit geraten war. Seine Verblüffung war groß, als der Mann fast akzentfrei antwortete: »Mein Name ist Ubar Igomo. Und wer bist du?«
»Ich bin Kudoo. Du hast nichts zu befürchten, wenn du mir sagst, wo ich eine Frau namens Berly Salvoni finde.«
Der Eingeborene sank auf die Knie und berührte mit der Stirn den Boden. Als er erneut sprach, schwang Ehrfurcht in seiner Stimme mit. »Die Herrin der Guten Medizin wohnt dort.« Er deutete auf den größten Ziegelsteinbau von Maungu. »Wenn sie euch empfangen soll, müsst ihr vor dem Hauptportal ein Opfer bringen.«
Vigeland atmete auf. Er hatte es sich schwerer vorgestellt, die NEI-Agentin zu finden. Wahrscheinlich kamen niemals Laren oder Überschwere nach Pata-Pata, sonst hätte Berly Salvoni es wohl nicht gewagt, sich als Herrin der Guten Medizin zu exponieren.
»Lasst ihn los!«, herrschte er die beiden Ertruser an, die den Mann festhielten. »Ubar, würdest du uns zur Herrin der Guten Medizin bringen? Ein Opfer bringen wir selbstverständlich nicht.«
»Wenn ihr es wagen wollt, vor sie zu treten, werde ich euch führen«, antwortete der Schwarzhäutige.
Nos Vigeland, der in dem Ziegelbau wenigstens elektrisches Licht und positronische Servoeinrichtungen vermutet hatte, fühlte sich enttäuscht. Zwar zeugte die Einrichtung von einer gewissen
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