Silberband 094 - Die Kaiserin von Therm
anwenden.«
»Du wirst dich nicht weigern!« Buggel rang mühsam nach Atem. »So schlimm kann es um dich nicht stehen.«
»Glaubst du wirklich? Dann lasse dich eines Besseren belehren. Ich befehle dir, dass du zu den Deinen gehst und sie in den Tempel beorderst. Und sage den anderen Führern, dass auch sie mit ihren Sippen kommen sollen.«
»Du darfst nicht in den Tempel!«, rief Buggel verzweifelt und schlenkerte eindringlich mit seinen verstümmelten Armen. »Dort feiern die Blass-Schönen ein Fest, bei dem ein Nachfolger für Bluter gesucht werden soll.«
Belami wusste, wie der Nachfolger für ein ausgeschiedenes Sippenoberhaupt bestimmt wurde. Nur jener qualifizierte sich, der den weisesten Nonsens von sich geben konnte und wer die originellsten Tanzfiguren ersann – und diese am längsten darbieten konnte. Bluter hatte einmal stolz erklärt, dass das Fest, bei dem er gewählt worden war, dreißig Tage und Nächte gedauert hatte. Seit damals bezeichnete man mit dem Begriff ›Fest‹ diese Zeitspanne.
»Führe meinen Befehl aus, Buggel!«, sagte Belami drohend. »Oder ihr ehrenwerten Geschlechter werdet mich kennen lernen. Dann werde ich euch zwingen, den Kampf ums Überleben zu führen.«
»Ich glaube dir, dass du nicht einmal vor roher Gewalt zurückschrecken würdest«, kreischte Buggel und versuchte zu fliehen. Als Belami ihm den Weg abschnitt, wollte er die Wand hochklettern, stürzte jedoch ab und blieb wimmernd liegen.
Belami stellte ihn wieder auf die krummen Beine.
»Einer, der so sehr an seinem erbärmlichen Leben hängt, dass er lieber Schmerzen erträgt, als sich in den Tod wiegen zu lassen, der ist auch pervers genug, anderen dasselbe entwürdigende Schicksal aufzuzwingen«, quietschte Buggel.
Das machten sie ihm also zum Vorwurf. Nur weil er noch einen Funken Selbsterhaltungstrieb besaß, verfemten sie ihn. Dabei war er zu der Überzeugung gelangt, dass das Leben ein Kampf und kein Tanz war.
»Führe meinen Befehl aus, Buggel!«, herrschte Belami den Grazil-Krummen zornig an, so dass dieser sich verschreckt auf den Weg machte.
Belami suchte den Tempel auf. Nur sieben Blass-Schöne hatten sich eingefunden. Fünf lagen in Trance auf dem Boden, nur zwei tanzten mit müden Bewegungen. Belami packte sie und zwang sie, ihn anzusehen. Sie starrten ihn an, als sei er ein Zöcke.
»Ihr könnt das Fest abbrechen«, erklärte Belami. »Ich bin das neue Oberhaupt der Blass-Schönen. Auch die anderen Geschlechter werden von nun an mir gehorchen. Habt ihr verstanden?«
»Ja, Belami«, sagte der eine Blass-Schöne krächzend und fiel vor Schreck in Ohnmacht. Der andere gab keinen Laut von sich, doch an seinen krampfartigen Zuckungen und der sich blau verfärbenden Haut erkannte Belami, dass er alle lebensnotwendigen Körperfunktionen anhielt.
Belami schlug ihm ins Gesicht. Das war eine Affekthandlung, über die er sich selbst wunderte, aber sie brachte den gewünschten Erfolg. Der Blass-Schöne atmete wieder, seine Haut bekam die bleiche Farbe zurück. Aus seinen Augen quollen milchige Blutstropfen, zweifellos damit er seine Schmach nicht mit ansehen musste.
»Träner, du hast nicht mehr die Kraft, dich zu töten«, sagte Belami eindringlich. »Ich habe dich gedemütigt, ohne dass du deshalb aus dem Leben geschieden bist. Du wirst noch oft Demütigungen hinnehmen müssen und alle über dich ergehen lassen, nur um überleben zu können!«
»Quäle mich nicht so, Belami. Lass mich sterben!«
»Nein! Denn du wirst leben. Und bald wirst du um dein Leben kämpfen, Träner.«
Belami ignorierte das Gejammer des Blass-Schönen. Er wunderte sich selbst darüber, dass er kein Mitleid empfand.
»Wo sind die anderen Blass-Schönen, Träner?«
»Die haben für immer ihren Frieden.«
»Sie sind alle tot? Wie schrecklich! Was ist passiert?«
Es dauerte geraume Zeit, bis Belami alles Wissenswerte von Träner erfuhr.
Der Blass-Schöne berichtete, dass niemand gewagt hatte, die Große Wiege zu verlassen, weil alle durch das Fenster Hässliche beobachtet hatten die im Schutz der Pflanzen und Gesteinserhebungen lauerten. In der Großen Wiege fühlte man sich sicher, selbst als verschiedene Hässliche versuchten, in das Raumschiff einzudringen. Aus der Seher-Lauscher-Kombination kam gelegentlich die Meldung, dass die Fremden friedlichen Kontakt mit den ehrenwerten Geschlechtern suchten, doch das war noch mehr Grund, sich von der Umwelt abzuschließen.
Dann fiel Hüter aus. Die Hässlichen drangen schließlich
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