Silberband 095 - Mensch aus dem Nichts
da, die Festung zu bewachen.«
»Du meinst, dass ich sie rufen soll?«, fragte Ev Cymth scheu und fügte verbissen hinzu: »Das tue ich nicht!«
»Niemand verlangt, dass du sie in eine Falle locken sollst. Wenn wir ihnen Schaden zufügen wollten, könnten wir das auch ohne deiner Mitwirkung tun. Es kommt uns nur darauf an, diesen Menschen zu helfen, bevor deine Artgenossen ihm Schaden zufügen.«
Ev Cymth begab sich zögernd zum Tor.
»Versuch es!«, drängte Wastor. »Je schneller wir hier fertig sind, desto eher können wir dir und deinesgleichen helfen.«
Das leuchtete dem Wächter ein. Er holte tief Atem und stieß einen lauten Schrei aus. Kurz darauf war eine Antwort zu hören.
»Es hat funktioniert«, sagte Wastor befriedigt. »Was hast du erfahren?«
»Einer der Wächter befindet sich in Gefahr«, antwortete Ev Cymth verdrossen. »Es sieht so aus, als wäre dieses Konzept gar nicht so hilflos, wie ihr gesagt habt. Es ist ihm gelungen, dem Wächter die Augen abzunehmen.«
»Kannst du uns dorthin führen, wo das geschehen ist?«
»Ich glaube nicht, dass es einen Sinn hätte. Das Konzept ist wieder verschwunden.«
»Du musst mit anderen Wächtern ebenfalls Kontakt aufnehmen!«
»Ich werde überhaupt nichts mehr tun«, sagte Ev Cymth entschieden. »Gleichgültig, ob ihr mir helfen werdet oder nicht.«
Die beiden Abgesandten wechselten einen kurzen Blick. Sie sahen ein dass sie Ev Cymth nicht zwingen konnten. Das Schicksal, das dem anderen Wächter widerfahren war, hatte ihn misstrauisch gemacht.
Dass es dem Konzept gelungen war, einen Wächter zu überwältigen, war erfreulich, bedeutete aber eine zusätzliche Bedrohung für diesen Menschen, denn nun würden alle gemeinsam Jagd auf den Eindringling machen.
»Wir gehen ab sofort getrennt vor«, schlug Wastor vor. »Jeder von uns sucht ein bestimmtes Gebiet ab.«
Klamous deutete auf Ev Cymth. »Was geschieht mit ihm?«
»Er kann hier bleiben oder einen von uns begleiten – wie er will!«
»Ich gehe zu meinem Turm zurück und warte dort auf euch«, sagte Ev Cymth. »Wenn ich sofort aufbreche, kann ich mein Ziel noch vor Anbruch der Dunkelheit erreichen.«
Getrennt setzten die beiden Homunkuliden die Suche nach dem Konzept fort.
Als Ankamera vorübergehend die Führung innehatte, taufte sie die seltsame Welt auf den Namen ›Nachtfalter‹. Kershyll Vanne hielt diesen Begriff für zu poetisch, andererseits erschien ihm der Name nebensächlich, so dass er ihn bei seiner erneuten Kommandoübernahme nicht korrigierte.
Auf seiner Flucht war Vanne in einen lichtüberfluteten Korridor gelangt. Abzweigungen führten in gewölbeartige Lagerräume, in denen jedoch nur leere Gestelle und Behälter standen. Ab und zu erinnerten Schreie aus entlegenen Räumen Vanne daran, dass er nicht den einzigen Bewohner dieses Gebäudekomplexes kampfunfähig gemacht hatte. Wahrscheinlich waren die Gegner hinter ihm her. Ein Wesen, das wie Vanne aus dem Nichts erschienen war, signalisierte Gefahr, darüber brauchte er sich keine Illusionen zu machen.
Am Ende des Korridors führte eine Rampe in höher gelegene Räume. Oben gab es keine Eingänge oder Wände im eigentlichen Sinn, sondern nur Säulen aus leuchtendem Metall, die als Abgrenzung der verschiedenen Räume dienten.
Zwischen zwei dieser Säulen entdeckte Vanne ein auf dem Boden liegendes Rad, das ihn an einen Rotor erinnerte. Es durchmaß etwa sechs Meter und hatte im Zentrum ein dreistufiges Podest. Auf der obersten Stufe war eine Leiste mit Instrumenten und Schalthebeln angebracht. Vanne sah darin eine Art Flugkörper. Nachdem er über ein Rotorblatt in die Mitte der Scheibe balanciert war, überließ er es Hito Guduka, die Maschine zu inspizieren.
Der Totalenergie-Ingenieur untersuchte sofort die Instrumente. Es gelang ihm tatsächlich, die Bedeutung einiger Schalter zu erkennen. Daraus zog er Rückschlüsse auf andere Teile der Steueranlage.
Seine Konzentration wurde jäh gestört, als jemand die Rampe heraufkam. Ein Pelzwesen erschien hinter den Säulen. Es blieb sekundenlang stehen, als bereitete ihm die Unverfrorenheit des Eindringlings, der an einer zu diesem Gebäude gehörenden Maschine hantierte, einiges Kopfzerbrechen.
Guduka umschloss einen der beulenförmigen Auswüchse, die er für Drucktasten hielt. Ruckartig hob die Scheibe ab. Der Totalenergie-Ingenieur klammerte sich an der Instrumentenleiste mit beiden Händen fest, denn die Scheibe hüpfte auf und nieder und schüttelte ihn heftig
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