Silberband 096 - Die Gravo-Katastrophe
hätte Alaska sich gewünscht, dass es so sein würde. Er war kein Mensch, der kleinlichen Gefühlen nachhing, aber den Triumph, als der Erniedrigte von damals nun der Inkarnation als ihr Retter gegenüberzutreten, hätte er gerne ausgekostet.
»Du kannst dieses Wesen deutlicher spüren als ich«, wandte er sich an den Katzer. »Hat sich etwas an seiner mentalen Ausstrahlung geändert?«
»Die Inkarnation spürt unsere Nähe«, antwortete Bjo. »Sie ist erregt, weil ihre Rettung endlich bevorsteht. Es gibt keine Anzeichen einer Falle.«
Sie hatten die Stützpfeiler erreicht. Alaska Saedelaere blickte zu der dunklen Öffnung hinauf. Bei ihrem ersten Aufenthalt war Bjo dort oben eingedrungen, hatte den Besitzer der Anlage aber nicht angetroffen.
Alaska schaltete seinen Individual-Schutzschirm ein und zog die Waffe.
»Du bist misstrauisch?«, fragte Breiskoll.
»Ja«, sagte der Transmittergeschädigte. »Wir werden unsere Flugaggregate einschalten, dann schweben wir zu dem Eingang hinauf.« Er lachte unterdrückt. »Diesmal brauchst du deine Kletterkünste nicht unter Beweis zu stellen, Bjo.«
Er wusste, dass der Junge ihm völlig vertraute. Alaska, der sich wegen des Cappinfragments in seinem Gesicht lange genug wie ein Ausgestoßener gefühlt hatte, kannte die Einsamkeit. Er hatte sich daran gewöhnt und sein eigenes Leben geführt. Bjo war für ihn wie ein Leidensgefährte.
Nur mit geringem Abstand schwebten sie in die Höhe. Saedelaere ergriff eine Querstrebe und hielt sich daran fest. Ein eigenartiges Gefühl beschlich ihn, als ströme eine unsichtbare Substanz aus der Öffnung vor ihm, etwas Fremdes und Bösartiges.
Sie schalteten ihre Helmscheinwerfer ein. Bjo gab ein klägliches Maunzen von sich. »Mir wird übel«, stöhnte er. »Die Nähe dieses Wesens macht mir zu schaffen.«
»Bleib ruhig!«, sagte Alaska mit erzwungener Gelassenheit. »Bald ist alles vorüber.«
Der Katzer mit seinen parapsychischen Sinnen litt natürlich weit mehr unter der Anwesenheit der Inkarnation als der Transmittergeschädigte. Vielleicht war es ein Fehler gewesen, Bjo mitzunehmen, überlegte Saedelaere. Aber der Junge kannte sich in der Wohnkugel aus, und das konnte von Vorteil sein.
»Ich gehe zuerst hinein!« Der Maskenträger hielt die Waffe schussbereit, dann schwang er sich durch die Öffnung. Das Scheinwerferlicht fiel auf graue Wände.
»Alles in Ordnung?«, krächzte Bjos Stimme im Helmempfang.
»Du kannst nachkommen!«
Saedelaere leuchtete die Vorhalle ab. Sie wirkte verlassen und schmucklos. Es schien undenkbar, dass sich ein intelligentes Wesen mit Sinn für Schönheit und Ästhetik hier wohl fühlen konnte. Aber das, dachte er schuldbewusst, war nur ein menschlicher Standpunkt.
Bjo Breiskoll kam. Nahezu gleichzeitig ertönte ein grausiger Laut, als schrien Dutzende gepeinigter Kreaturen gleichzeitig. Saedelaeres Zeigefinger tastete prompt nach dem Abzug der Waffe.
»Das war sie!«, stieß Bjo hervor. »Ich kann nicht weiter – diese widerwärtigen Impulse ertrage ich nicht.«
Der Zellaktivatorträger ergriff den Katzer mit der freien Hand am Arm und schüttelte ihn. Bjo Breiskoll schluchzte leise.
»Du musst diese Ausstrahlung ignorieren!«, drängte Saedelaere. »Sperr dich dagegen. Ich weiß, du schaffst es.« Er hörte den Jungen heftig atmen, dann spürte er, dass Bjo sich einen Ruck gab.
Aus einem der beiden vor ihnen liegenden Durchgänge schimmerte bleiches Licht. Alaska machte seinem Begleiter ein Zeichen. Bjo nickte verkrampft.
Als sie den torbogenförmigen Durchgang erreichten, sahen sie die Energiesphäre der Inkarnation. Sie war nicht mehr kugelförmig, sondern wirkte deformiert. Das fluoreszierende Leuchten, das die Sphäre bei Saedelaeres erster Begegnung mit der Inkarnation umflossen hatte, existierte kaum noch.
Das Medium im Innern sah trübe aus und befand sich in heftiger Wallung. Nur undeutlich waren die Konturen eines Menschen darin zu erkennen. Der Maskenträger entsann sich, dass die Inkarnation sich jedem Besucher in dessen jeweiliger Gestalt präsentierte, aber selbst diese Täuschung aufrechtzuerhalten, schien CLERMAC nun Schwierigkeiten zu haben.
Alaska Saedelaere ließ den Desintegrator sinken. Er ahnte, dass er die Waffe hier nicht brauchen würde, denn die Inkarnation war krank und vom Tod bedroht.
Unwillkürlich erwog er eine Umkehr. Wenn die Korvette jetzt startete, war das Schicksal der Inkarnation endgültig besiegelt. Gab es einen einfacheren Weg, den mächtigen
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