Silberband 098 - Die Glaswelt
mit Besatzungsmitgliedern, die sich hier aufgehalten haben. Hätte die Inkarnation tatsächlich eine Seuche eingeschleppt, müsste jemand von den Wissenschaftlern oder Mutanten ebenfalls davon betroffen sein. Wir haben aber keine Anzeichen für eine Erkrankung.«
Atlan nickte knapp.
»Vielleicht liegt Gahlmanns Infektion schon einige Wochen zurück«, fuhr Rhodan fort. »Ich denke an das Varben-Nest. Versuche herauszufinden, was er zu der Zeit getan hat. Vielleicht gehört Gahlmann zu jenen, die sich auf Wassytoir aufgehalten haben.«
Atlan unterdrückte eine Bemerkung über die Inkarnation, die er weiterhin als verantwortlich ansah. Es galt abzuwarten, ob außer dem Hangaringenieur weitere Besatzungsmitglieder erkrankten.
Nach dem kurzen Gespräch mit Rhodan übergab er das Kommando an Deighton und ging in die Krankenstation. Die Sicherheitsvorkehrungen waren sehr hoch. Inzwischen waren alle Kontaktpersonen des Erkrankten ebenfalls isoliert worden, doch niemand zeigte ähnliche Symptome.
Dr. Hallmann begrüßte ihn vor dem Behandlungsraum. Durch die einseitige Transparentwand konnten sie sehen, dass Gahlmann im Bett saß und seine Umgebung misstrauisch zu beobachten schien.
»Ich war gerade bei ihm«, berichtete der Arzt. »Dabei hat er versucht, mich in den Hals zu beißen.«
»Ist sein Geist verwirrt?«
»Das glaube ich nicht! Er hat sich irgendwie völlig verändert.«
»Sagen Sie, was Sie denken!«
»Gahlmann benimmt sich wie ein Tier! Sagen wir, seine Verhaltensweise ist die eines Tieres.« Dr. Hallmann deutete auf die Wand. »Achten Sie darauf, was gleich geschieht.«
Über Funk gab er den beiden Medorobotern im Behandlungsraum Befehle. Einer der Roboter stellte eine Schüssel mit Brei auf das Tischchen neben dem Bett. Nur Sekunden später streifte Gahlmann mit scharrenden Bewegungen der Hände und Füße die Decke von seinem Körper. Dann beugte er sich aus dem Bett und schnupperte an der Schüssel.
Die Szene war gespenstisch. Atlan hielt unwillkürlich den Atem an.
Gahlmann tauchte sein Gesicht in die Schüssel und begann mit der Zunge, den Brei aufzunehmen.
»Das ist schwer nachvollziehbar!«, sagte Dr. Hallmann.
Atlan schaltete die Sprechverbindung ein. »Preux Gahlmann! Hören Sie mich?«
Der Hangaringenieur hob den Kopf und schien sekundenlang zu lauschen. Dann fuhr er fort, Brei zu schlecken.
»Er hört Sie, aber er scheint Sie nicht zu verstehen! Wir können uns nicht mehr mit ihm verständigen. Er ist wie ein Tier – in allen Belangen.«
»Die anderen Patienten dürfen ihn nicht sehen«, entschied Atlan. »Es könnte zu einer Psychose kommen.«
»Das habe ich bereits bedacht und entsprechende Maßnahmen getroffen«, pflichtete ihm der Multi-Mediziner bei. »Ich stehe mit den anderen Ärzten in Verbindung und habe eine Diagnose an SENECA geben lassen.«
Inzwischen hatte Gahlmann den Brei verzehrt. Er reinigte sein Gesicht, indem er mit den zu Fäusten geballten Händen von der Seite nach vorn über den Mund strich.
»Als was mag er sich verstehen?«, fragte Atlan bedrückt.
»Ich habe einen unserer Verhaltensforscher konsultiert«, sagte der Arzt dumpf. »Er meint, Preux Gahlmanns Benehmen sei am ehesten mit dem einer Ratte vergleichbar.«
Die Nachricht von der schweren Erkrankung eines Besatzungsmit glieds hatte zu einer Verschlechterung der angespannten Stimmung im Lagerraum 23 geführt. Obwohl über das Problem kaum gesprochen wurde, konnte Rhodan in vielen Gesichtern eine stumme Fra ge lesen.
Wen trifft es als Nächsten?
Die Untersuchung der Sphäre mit der Inkarnation wurde in Schichten durchgeführt. Nur die Zellaktivatorträger hielten sich nahezu ununterbrochen im Lagerraum auf, die anderen Männer und Frauen lösten sich alle sechs Stunden ab. Für die Ruhepausen waren in einem Nebenraum in aller Eile Schlafunterkünfte eingerichtet worden, damit niemand den inneren Sicherheitsring verlassen musste.
Rhodan wandte sich an den Mausbiber.
»Vergiss die Inkarnation für ein paar Minuten, Kleiner. Ich möchte, dass du dich um Gahlmann kümmerst.«
»Soll ich zu ihm gehen?«
»Ich will nicht, dass du den Lagerraum verlässt. Es dürfte kein Problem bereiten, ihn von hier aus telepathisch zu untersuchen. Finde heraus, was er denkt – ob er überhaupt noch etwas denkt.«
»Das habe ich bereits getan«, gestand Gucky kleinlaut.
Rhodan sah ihn misstrauisch an. »Warum hast du mir nichts davon berichtet? Was hast du herausgefunden?«
»Nicht viel. Seine Gedanken sind
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