Silberband 099 - Treibgut der Sterne
ausstrahlt.
»Ich habe mich bald wieder erholt, Cilla, das geht bei mir rasch«, flüstert er. »In deiner Gegenwart kann ich mich schnell aufladen.«
Sie will sich zurückziehen, aber er hält sie sanft fest. »Du siehst ihr ähnlich. Tatsächlich fällt es mir jetzt erst auf, dass du in vielen Dingen wie sie bist.«
»Von wem sprichst du?«
»Habe ich dir noch nicht von ihr erzählt?« Er runzelt die Stirn und schüttelt den Kopf wie über eine unerklärliche Nachlässigkeit. Dann beginnt er mit seiner angenehmen, sonoren Stimme zu sprechen.
Er versteht es, seine Zuhörerin zu fesseln, obwohl er seine Geschichte leidenschaftslos erzählt.
»Sie war eine Gäanerin und hieß Virna Marloy. Sie arbeitete auf einem Raumschiff, das Flüchtlinge aus der Milchstraße in die Provcon-Faust brachte. Ihr Aufgabenbereich war deinem sehr ähnlich, Cilla, denn sie sollte die Flüchtlinge betreuen, ihnen Mut zu sprechen, wenn sie Trost brauchten, und sie schon während des Fluges an die neue Heimat gewöhnen …«
3491 – Virna Marloy
Die GLUSMETH war hoffnungslos überbelegt. Virna Marloy musste sich förmlich ihren Weg zwischen den Flüchtlingen hindurchbahnen. Weil sie die Kombination einer Flüchtlingshelferin trug, wurde sie von allen Seiten mit Fragen bombardiert. Arme reckten sich nach ihr, Hände umklammerten sie.
Sind wir am Ziel? Wann endlich können wir Gäa betreten, die neue Heimat? Wie lange müssen wir noch wie die Tiere hausen? Wo sind wir? Sind wir vor den Laren sicher?
»Achten Sie auf die Durchsagen«, pflegte Virna Marloy zu antworten. »Es kann nicht mehr lange dauern, bis wir in die Dunkelwolke einfliegen.«
Wie heißt die Dunkelwolke? Wo liegt sie? In der Eastside der Galaxis oder am anderen Ende? Im Zentrum?
Fragen über Fragen, die Virna nicht beantworten durfte. Details mussten geheim bleiben.
Manche der Geretteten nahmen es leicht. Sie hatten auf Pankrator eine Menge durchgemacht, waren von den Überschweren zu harter Zwangsarbeit getrieben worden. Dann der Kampf gegen die Unterdrücker, tagelange Belagerung, eine Zeit zwischen Hoffen und Bangen – und endlich das Aufatmen. Die GLUSMETH brachte die kaum mehr erwartete Rettung.
Virna versuchte, so gut es ging, die Pioniere zu beruhigen. In ihrer Aufopferungsbereitschaft verzehrte sie sich selbst.
Irgendwie schaffte sie es, den inneren Ringkorridor zu erreichen. Ein Mann, von zwei Robotern eskortiert, tauchte auf. Virna erkannte in ihm Vic Lombard, den Ersten Offizier, und ließ sich erschöpft in seine Arme sinken.
»Platz da!«, erhob Vic seine Stimme über das Stimmengewirr. »Geben Sie den Weg frei! Ich überlasse Sie alle jetzt der Obhut der Roboter.«
Er ignorierte die Rufe der Flüchtlinge. Virna verstand einige der Fragen. Die Leute wollten wissen, ob der Flug durch die Dunkelwolke gefährlich sein würde.
»Du übernimmst dich, Virna«, sagte Vic, ohne den Arm von ihrer Hüfte zu nehmen. »Du machst dich selbst kaputt, wenn du glaubst, dich an jedem Schicksal beteiligen zu müssen.«
»Ich brauche nur eine kurze Pause, dann gehe ich wieder an meine Arbeit.«
»Kommt nicht infrage.« Vic war ein großer, kräftiger Gäaner. Zweiunddreißig und eine wahre Kämpfernatur. »Ich überlasse dich nicht wieder dieser Meute. Du bleibst in der Kommandozentrale.«
»Aber …« Sie verstummte unter seinem zwingenden Blick.
»Nach diesem anstrengenden Flug musst du eine Weile ausspannen«, fuhr er fort. »Ich werde dafür sorgen, dass du Urlaub bekommst. Was hältst du davon, ihn gemeinsam mit mir zu verbringen?«
»Ich werde darüber nachdenken, Vic.« Sie entwand sich ihm. »Aber zuerst müssen wir die GLUSMETH in Sicherheit bringen.«
»Willst du das Schiff selbst navigieren?«, fragte er anzüglich und brachte sie zum Lachen.
Virna hatte in den zwei Jahren, die sie der Flüchtlingshilfe angehörte, bereits ein Dutzend Einsätze mitgemacht, vier davon auf der GLUSMETH. Bei den Flügen in die Dunkelwolke hatte sie natürlich Kontakt zu den Vakulotsen gehabt und einige Male versucht, mit ihnen ins Gespräch zu kommen, dabei jedoch nur die Erkenntnis gewonnen, dass die Lotsen in jedem Fall auf Distanz blieben.
Diesmal war es nicht anders. Nach geraumer Wartezeit meldete der Funker Kontakt mit einem Vincraner, der bereit sei, die GLUSMETH in die Provcon-Faust zu bringen. Als Vic Lombard den Namen hörte, geriet er etwas aus der Fassung.
»Ausgerechnet Harzel-Kold. Leider können wir uns den Lotsen nicht aussuchen, sonst würden
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