Silberband 099 - Treibgut der Sterne
heißt, ich habe den Beweis dafür, dass es noch gut erhaltene Städte gibt. Es ist mir aber bislang nicht gelungen, die Zwotter zu einer Expedition in eine der Städte zu überreden. Deshalb musste ich beim Bau improvisieren. Wie gefällt es dir, Virna?«
»Ich habe tatsächlich das Gefühl, vor dem Monument eines fremden Volkes zu stehen. Aus welchem Material wurde es gebaut?«
»Aus Stampfsand, vermischt mit Kakteenmilch und Wasser. Nur die Fensterläden und die Möbel sind aus anderem Material. Ich weiß allerdings nicht, ob es sich um Naturstein oder um einen synthetischen Werkstoff handelt. Die Zwotter haben mir versichert, dass sie die ungeformten Platten aus einer der Ruinenstädte haben. Den Fundort verrieten sie mir allerdings nicht, dazu sind sie viel zu geschäftstüchtig.«
»Das sieht man ihnen gar nicht an.«
»Der Schein trügt. Sie sind in der Regel liebenswert und hilfsbereit, aber unerbittlich, wenn es ums Handeln geht. Ich kann mich dennoch nicht beschweren, denn die Kunstgegenstände, die mir die Zwotter anbieten, sind eigentlich unbezahlbar.«
»Wirst du mir deine Kunstsammlung zeigen?«, fragte Virna. »Ich möchte sehen, was dich an der Kunst der Zwotter so fasziniert, dass du ihr dein Leben widmest.«
Harzel-Kold schenkte ihr ein nachsichtiges Lächeln. »Die Zwotter selbst haben keine nennenswerte Kultur. Woran ich interessiert bin, das sind die Kulturzeugnisse der Urbevölkerung. Es sind Plastiken, Reliefe und dreidimensionale Bilder von überwältigender Lebensechtheit, die ich sammle. Die Zwotter stammen zweifellos von diesem Volk ab, sind jedoch schon längst zur Bedeutungslosigkeit degeneriert. Eines der Geheimnisse, die ich ergründen will, ist die Frage, was aus den Vorfahren der Zwotter geworden ist. Ich fühle, dass die Antwort in den Kunstwerken liegt, über sie führt der Weg zur Erleuchtung … Ja, ich werde dir meine Sammlung zeigen, und ich bin gespannt auf dein Urteil.«
»Leider habe ich überhaupt kein Kunstverständnis«, beteuerte sie.
»Darauf kommt es nicht an. Du brauchst in die Kunst der Prä-Zwotter nichts hineinzudenken, viel mehr beeinflussen die Objekte dein Denken.«
Virna wusste nicht, was sie davon halten sollte, deshalb schwieg sie.
Harzel-Kold führte sie durch den Kakteenwald, in dem es kühl war und die Luft staubfrei, obwohl sich hoch über ihnen die Staubwirbel zu goldenen Wolken geballt hatten. Sie kamen an einen Fluss, der den Wald durchzog. Er war breit und seicht. Auf einer Sandbank lag eine zwei Meter lange Echse, deren Schuppenhaut ein Flammenmuster aufwies. Als die Echse sie entdeckte, floh sie mit einem Sprung ins Wasser.
»Reptilien sind vorherrschend auf Zwottertracht«, wusste Harzel-Kold dazu zu sagen. »In der Oase halte ich nur harmlose Spezies wie den Feuerdrachen, den du eben gesehen hast, deren Fleisch entweder genießbar ist oder die einfach das Auge erfreuen. In den großen Gebirgsschluchten, in denen die Vegetation besonders üppig gedeiht, gibt es Schlangen und Echsen von der Größe meines Raumschiffs. Ihnen weicht man besser aus. Diesen Rat solltest du beherzigen, falls du einmal eine Expedition ins Landesinnere wagst.«
»Ich hoffe doch, dass du mich bei einem solchen Unternehmen begleiten würdest«, erwiderte Virna.
Sie kamen zum Haus zurück. Dort erwartete sie bereits Blinizzer. Er ruderte mit den Armen. »Schneller Wichtig. Besonderer Wichtig. Glücksverheißungsvolles Psychod!«, sang er, und seine Aufregung übertrug sich augenblicklich auf Harzel-Kold.
»Was ist?«, fragte Virna, die nur noch mühsam Schritt halten konnte.
»Blinizzer meint, dass einer seiner Artgenossen ein Kunstwerk gefunden hat, das er mir verkaufen möchte«, sagte der Vincraner erregt.
Auf den ersten Blick unterschied sich der andere Zwotter nicht von Blinizzer. Erst als sie genauer hinsah, entdeckte Virna bei Blinizzer eine Delle auf der Stirn, die der andere nicht hatte.
Der Zwotter erwartete sie in dem Raum mit dem Hünenbett. Er saß am Bettrand, seine kurzen Beine baumelten über dem Boden. Vor ihm – und ihn überragend – stand ein eineinhalb Meter hohes Ding, dessen Form nicht zu erkennen war, weil er es umwickelt und verschnürt hatte.
»Psychod wohlfeil«, sang der Zwotter und deutete auf das Ding. »Schwer und Schweiß und aber Anstrengung und wohlfeil.«
Harzel-Kold achtete nicht auf ihn. Er stürzte sich förmlich auf den Gegenstand und löste mit zitternden Fingern die Verschnürung. Er entspannte sich erst, als das
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