Silberband 101 - Eiswind der Zeit
bewegen sich im submolekularen Bereich innerhalb der gleichen Spezifikation.«
Cherkel lachte, und sein Lachen klang verzweifelt. »Das bedeutet, dass dieser Planet fast zwölftausend verschiedene Angriffswaffen mit demselben Gift ausgestattet hat.«
»Mit einem Gift, das einzig und allein dazu geschaffen wurde, uns zu löten. Identische Pflanzen, von Hytawath an einem Platz weit außerhalb des Ringes eingesammelt, haben dieses Gift nachweislich nicht.«
»Dasselbe Gift, das seine Mutter umbrachte?«
»Dasselbe, Trubohn!«
Das Labor sah verwahrlost aus. Dies galt für die meisten Bereiche des Schiffes. Es gab nur wenige Reparaturroboter. Noch funktionierte die Energieerzeugung mit fünfundachtzig Prozent ihrer Kapazität – glücklicherweise. Aber die KARMA würde niemals mehr starten können.
»Wir müssen herausfinden, wie wir diesen tachytropen Ring neutralisieren können.«
»In zwei bis drei Jahrhunderten werden wir das sicher geschafft haben, wenn es im bisherigen Tempo weitergeht!«, rief Cherkel sarkastisch. »Ja, ich weiß, niemand ist schuld daran.«
»Am allerwenigsten ich!«, gab Meralda Koyle gereizt zurück. »Wenn du deine Absicht, auszubrechen und irgendwo eine neue Heimat zu suchen, nach wie vor vorantreiben willst, besorge ich dir gern die Archivdaten über den verlustreichen ersten Versuch. Ich werde auch weiterhin einem solchen Vorhaben jeden greifbaren Knüppel in den Weg werfen.«
Es war wieder Nacht geworden. Im Schiff lebten nicht allzu viele Menschen. Die meisten wohnten draußen in den flachen Bauwerken aus jener verrückten Materialmischung, die teilweise aus dem Boden des Planeten, teilweise vom Schiff stammte.
»Wir wissen, dass die Natur mit rasender Geschwindigkeit experimentiert. Hytawath berichtet, dass sich Pflanzen und Tiere schnell verändern. Sie werden stetig gefährlicher.«
»Etwas an oder in uns macht die Natur rasend.«
»Das sagte schon mein Vater«, erklärte Meralda resignierend. »Vielleicht ist es unser Charakter.«
Cherkel lachte wieder. »Was deinen Charakter betrifft, bin ich sicher. Aber es gibt auch reizende Siedler hier.«
»Vielleicht sogar zwei davon«, schnappte sie. »Hytawath Borl hat dieses Etwas nicht!«
»Oder er hat etwas, das die Angriffe neutralisiert.«
Sie verfügten über eine Unmenge von Daten, doch es gab keine einleuchtende Theorie. Was sie wirklich besaßen, waren der Graben, der Zaun und die Projektoren. Dennoch schien es, als würde die Siedlung Koyle das zweite Jahrhundert ihrer Existenz nicht mehr erleben.
Eine lange und erschöpfende, aber auch erfolgreiche Jagd lag hinter Hytawath Borl und Rrussu. Viele Träger hatten sie zuletzt begleitet.
Der Wohnstein von Rrussus Horde war ein gigantischer, zerklüfteter Bimssteinfelsen. Von Süden und Norden war der Sumpf bis an dieses Überbleibsel vulkanischer Tätigkeit herangewachsen, im Osten breitete sich Grasland aus, und im Westen ragten Riesenbäume auf. Der Hetman war der mächtigste Mann von dreihundert Eingeborenen.
Über mehreren Feuern drehten sich mittlerweile hölzerne Bratspieße. Die Beutetiere waren aus der Decke geschlagen und zerteilt worden. Es roch nach Asche, Rauch und geheimnisvollen Gewürzen.
Zwei lebenswichtige Einzelheiten zeichneten den Wohnstein aus, von allen anderen Annehmlichkeiten abgesehen: eine heiße Mineralquelle tief aus den Eingeweiden des jungen Planeten sowie eine natürliche Kaltwasserquelle mit geringerer Ausschüttung. Der Jäger von Koyle hatte in einem Steintrog ausgiebig gebadet und das kreischende Interesse von Kindern und Halbwüchsigen hervorgerufen. Jetzt saß Hytawath neben Rrussu und sah den arbeitenden Eingeborenen zu.
»Dieses Bild der Ruhe ist für mich gefährlich, denn ich verliere zu schnell meine Wachsamkeit«, sagte Hytawath leise.
»Jäger er ruhig bleiben. Bis Sonne aufgehen, alles sicher. Träumen, schlafen – wie Rrussu-Leute«, krächzte der Hetman.
Morgen, kurz nach Sonnenaufgang, würden sie Borl wieder helfen. Rund drei Tonnen frisches Fleisch, das bedeutete für jeden Siedler gut tausend Gramm. Dazu die Körbe voller Früchte.
»Es könnte so schön sein«, erwiderte Hytawath Borl nachdenklich. »Aber der Kampf fängt wieder an, sobald die Nacht vorbei ist.« Einen Augenblick lang dachte er an Meralda.
»Jäger er sein jung. Er nicht sein weise.« Rrussu schnalzte mit seinen langen Fingern.
»Ich bin am 16. Juni 3560 geboren, aber unsere Zeitrechnung sagt dir nichts. Ich bin sechsundzwanzig Jahre alt und
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