Silberband 102 - Aufbruch der Basis
die Kante in den Felsspalt fallen und darin absinken. Für einen Moment hatte er noch sehen können, dass die Veteranen sich in geschlossener Gruppe entfernten.
Ein Orkan von unvorstellbarer Gewalt setzte ein. Mehr als mannsgroße Eisbrocken wurden herumgewirbelt. Plondfair hörte ein Dröhnen und Donnern wie von zusammenbrechenden Felswänden. Er fühlte sich in eine Nische gepresst, und immerhin bot sie ihm ein wenig Schutz vor der entfesselten Natur. Eis und Schnee deckten ihn zu.
Innerhalb weniger Augenblicke schloss sich das Ammoniak wie ein Eispanzer um ihn und gab ihn nicht mehr frei. Plondfair kämpfte seine aufsteigende Panik nieder und verhielt sich ruhig. Es war schwer, nichts zu tun, während er sich vorstellte, dass um ihn herum das Eis zu einer kilometerdicken Schicht anwuchs.
In seinem Helm blinkte das Rufzeichen. Er schaltete das Funkgerät wieder ein.
»Hörst du mich, Plondfair?«, fragte Kärsgäm, dessen Stimme vor Erregung bebte. »Ich habe dich in der Ortung und weiß endlich, wo du steckst.«
»Vielleicht sollten wir miteinander reden.«
»Dafür ist es zu spät.« Kärsgäm lachte höhnisch. »Mit Dieben verhandle ich nicht.«
Fieberhaft überlegte der Berufene, was er tun konnte, doch er fand keine Lösung. Die Zeit verstrich, und der Sturm dauerte an. Kärsgäm meldete sich nicht mehr. Auch er wartete darauf, dass das Ammoniak sich verflüssigen würde.
Nach vier Stunden wurde der Lufke müde. Er kontrollierte die Anzeigen und stellte fest, dass ausreichend Sauerstoff vorhanden war. Wenig später schlief er ein.
Er erwachte, als ihn ein heftiger Stoß traf. Gleichzeitig hatte er das Gefühl, in die Tiefe zu stürzen. Das Eis löste sich auf.
Kärsgäms Stimme erklang wieder. »Es ist so weit!«, rief der Alte. »Jetzt holen wir uns den Anzug.«
Ein Spalt brach vor Plondfair im Eis auf. Er schob sich hinein und folgte ihm.
»Warum läufst du denn weg?«, höhnte Kärsgäm. »Das hilft dir nichts.«
Plondfair blickte sich in seinem eisigen Verlies um. Einen Ausweg schien es wirklich nicht zu geben. Der Spalt im Eis verbreiterte sich. Vorsichtig tastete der Lufke sich voran und glitt dann in einem Schacht aufwärts.
»Er kommt!«, meldete eine Stimme, die Plondfair bisher noch nicht gehört hatte.
»Sobald er oben ist, gib den Funkimpuls!«, befahl Kärsgäm. »Wir werfen uns auf ihn und reißen ihm den Anzug vom Leib.«
Der Berufene sah einen hellen Fleck über sich. Er beschleunigte scharf, prallte gegen eine dünne Eisdecke, durchbrach sie und raste ins Freie. Im gleichen Moment packte ihn eine Bö und wirbelte ihn davon. Plondfair sah eine Felswand auf sich zukommen, den Aufprall konnte er nicht verhindern.
Er verlor das Bewusstsein. Während es um ihn dunkel wurde, glaubte er noch Kärsgäm zu hören, der Befehle erteilte.
Als er wieder zu sich kam, bemerkte er eine unförmige Gestalt, die sich ihm näherte. Morgdähn! Plondfair beschleunigte mit dem Flugaggregat und raste auf den Wächter zu, prallte mit ihm zusammen und schleuderte ihn zur Seite. Morgdähn stürzte. Das sah der Lufke noch, bevor er mit Höchstwerten weiterflog.
Er hielt sich dicht über dem Boden, der mit Ammoniak-Schnee und Eis bedeckt war. Dabei kam er nur langsam voran, denn die dichte Atmosphäre von Välgerspäre glich einem Brei, durch den er sich nur mühsam hindurcharbeiten konnte. Als er zurückblickte, bemerkte er, dass der Wächter ihm folgte und näher kam.
Vergeblich versuchte der Berufene, Deckung zu finden. Morgdähns Gestalt schwoll mehr und mehr an, als wachse sie mit der Materie aus ihrer Umgebung. Doch das täuschte. Plondfair wandte sich dennoch um und griff erneut an. Wieder rammte er den Wächter.
Dieses Mal war Morgdähn darauf vorbereitet. Plondfair spürte den Aufprall und dass der Wächter nach ihm schlug.
Die fürchterlichen Schläge kamen schnell und gezielt. Sobald der Berufene sein Fluggerät umlenkte, packte ihn der Koloss und riss ihn zurück. Und dann kam auch schon der nächste Hieb. Plondfair hatte das Gefühl, dass Dolchklingen den Panzer durchdrangen und sich in seinen Körper bohrten. Erschöpft sackte er in sich zusammen, unfähig, sich noch zu behaupten. Der Wächter registrierte überraschenderweise sofort, dass er besiegt war, und zog sich mehrere Meter weit zurück.
»Du bist weit über das hinausgegangen, was zu vertreten ist«, dröhnte Morgdähns Stimme im Helmfunk. »Ich habe euch erlaubt, Laxau und Kermershäm zu verlassen, doch das ist dir offenbar
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