Silberband 102 - Aufbruch der Basis
in ihrem Gedächtnis geblieben. Bis auf den Gedanken an das Auge.
Was ist das Auge?, fragte sie sich. Die Antwort entglitt ihr. Im Traum wusste sie, was das Auge war – sobald sie erwachte, war die Erinnerung fort.
Ihre Gedanken wanderten zu Danton. Sie sehnte sich nach ihm. Aber was für eine Sehnsucht war das? Schließlich hatte sie sich mit Hamiller eingelassen. Demeter hatte eine bedrückende Ahnung, die Entscheidung sei nicht ihre eigene gewesen. Jemand anders hatte für sie entschieden. War womöglich auch die Sehnsucht nicht ihre eigene?
Immer wieder kehrten ihre unruhigen Überlegungen zu dem Begriff des Auges zurück. Sie wusste: Sobald sie sich erinnern konnte, was es mit dem Auge auf sich hatte, würde auch der Rest der verlorenen Erinnerung zurückkehren. Wer sie war, woher sie kam und was es mit dem gläsernen Schrein auf sich hatte, in dem sie tief unter den grünen Hügeln der Insel Kreta gefunden worden war.
So aber gab es weiter nichts als eine dumpfe Ahnung, dass sie nicht über sich selbst bestimmte. Dass sie einem Einfluss gehorchen musste, der von weit her kam. In ihren einsamen Gedanken gab sie dem Einfluss einen Namen und nannte ihn ›den Bezwinger‹.
Augustus stand in einer Ecke des Besprechungsraums, als gehe ihn die teils erregte Debatte nichts an. Kanthall und Hamiller waren da und außerdem der Sieben-D-Mann Kershyll Vanne, auch Walik und Marboo.
»Dargist wurde von Menschen erschaffen, deren technologisches Wissen nicht größer ist als das unsere«, sagte Hamiller. »Wie kommt es, dass wir uns gegen ein von unseresgleichen erschaffenes Wesen nicht wirksam zur Wehr setzen können?«
»Ihre Frage stellt die Lage zu einfach dar«, bemerkte Kanthall. »Wenn wir die Zeit und die Mittel hätten, könnten wir Dargist letzten Endes bezwingen. Aber uns fehlt beides. Vor allem, weil das Ungeheuer zumindest von einem Teil der positronischen Elemente an Bord unterstützt wird.«
»Wer oder was ist Dargist nun eigentlich?«, wandte Walik Kauk ein.
»Wir können weiterhin nur spekulieren«, antwortete Hamiller. »Dargist besteht aus einer Vielzahl halb selbstständiger Elemente, die überwiegend positronisch, einige aber zweifellos auch organisch, also bionisch sind. Diese Elemente sind die winzigen Gebilde im Innern des Nebels. Eine Gruppe solcher Elemente, nehme ich an, bildet den Steuer- und Kontrollmechanismus. Die übrigen haben spezifische Funktionen wie Energieversorgung und Wahrnehmung, Projektion des fünfdimensionalen Feldes, das wir als Nebel erkennen, Kommunikation und so weiter. Dargist ist, bis auf die Verbindung mit Einheiten der Bordpositronik, autark. Das macht ihn so schwer angreifbar.«
»Wir schweifen ab!«, mahnte Kanthall. »Auf unserer Tagesordnung steht nur ein einziger Punkt: Wie beseitigen wir die Gefahr?«
Walik Kauk sah unwillig zu ihm auf. »Du klingst, als wärest du sicher, dass es darauf eine Antwort gibt.«
»Das will ich hoffen«, knurrte Kanthall. »Ich habe die Lösung vor zwei Tagen schon angedeutet. Dargist will, dass an Bord der BASIS die Lehre der reinen Vernunft herrscht. Also muss ein Aphiliker das Kommando an Bord übernehmen!«
Hamiller blinzelte. »Ich erinnere mich. Aber woher wollen Sie einen Aphiliker zaubern?«
»Die Frage geht an Sie zurück, Sie sind der Wissenschaftler. Die Aphilie und ihre Ursachen sind bis ins kleinste Detail studiert worden. Wir wissen alles, was es über die Aphilie zu wissen gibt, von der Deformation des Medaillon-Spektrums bis zur Modifizierung der Zellkernstrahlung aphilischer Gehirne. Meine Frage an Sie: Lässt sich der Effekt, der die Aphilie erzeugt hat, im Labor simulieren?«
»Wollen Sie uns alle in Aphiliker verwandeln?«
»Nur einen von uns!«
»Wen?«
Ein bitteres Lächeln flog über Kanthalls kantiges Gesicht. »Den Mann, der in der Aphilie nach Casalle die zweite Rolle spielte: mich!«
»Kanthall, Sie verlangen nahezu Unmögliches!«, sagte Hamiller, nachdem er sekundenlang nachgedacht hatte. »Um die Strahlungsverhältnisse von Medaillon im Labor zu simulieren, müssen wir experimentieren. Niemand kann sagen, wie lange das dauern wird. Und selbst wenn wir Erfolg haben – wollen Sie vierzig Jahre lang warten, bis die Aphilie von Ihnen Besitz ergreift?«
»Die Strahlung muss eben intensiviert werden!«
Hamiller nickte. »Ich werde die Sache prüfen. Aber ich will nicht, dass Sie sich große Hoffnungen machen.«
»Wenn ich mir diese Hoffnung nicht machen kann, dann gibt es keine Hoffnung
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