Silberband 102 - Aufbruch der Basis
der Liga Freier Terraner vor sich sah. Gleichzeitig wurde er von einer Stimme angesprochen, die ihm bekannt vorkam.
»Haben Sie ein startbereites Langstreckenfahrzeug?«
»Mehrere, Sir«, antwortete der Mann zurückhaltend.
»Eine Einheit der IMPERIUMs-Klasse?«
»Die BAIKO, Sir. Kommandant Segun Bahrajn.«
»Sagen Sie Bahrajn, dass er in einer Stunde starten wird!«
Der Wachhabende reagierte überrascht. »Das kann ich nicht, Sir. Es gehört nicht zu meinen Befugnissen, einem Raumschiffskommandanten Befehle zu erteilen.«
»Zum Teufel mit Ihren Befugnissen!«, erklärte die Stimme ärgerlich. »Sehen Sie nicht das Siegel?«
»Eben deshalb. Je länger ich es mir ansehe, desto misstrauischer werde ich. Wenn Sie tatsächlich im Regierungsauftrag sprechen, stehen Ihnen andere Wege zur Verfügung, um einem Raumschiff Startbefehl zu erteilen. Außerdem hätten Sie sich vorab informieren können, welche Einheiten startbereit sind.«
Der Anrufer schien seinen Fehler zu erkennen. Versöhnlich lenkte er ein: »Sie haben recht. Aber mein Auftrag erfordert eine besondere Vorgehensweise. Die BAIKO hat in einer Stunde zu starten – und ich werde an Bord sein! Machen Sie Bahrajn darauf aufmerksam. Alle weiteren Anweisungen erhält er von mir.«
Der Wachhabende schüttelte den Kopf. »Ich brauche einen Beweis, Sir, dass Sie berechtigt sind, den Start eines Großraumschiffs anzuordnen.«
Das Siegel verschwand und wich dem Gesicht eines jungen Mannes. Der Wachhabende fuhr erstaunt zurück. »Sie, Sir?«
»Werden Sie nun Kommandant Bahrajn in Kenntnis setzen?«, fragte Roi Danton.
»Selbstverständlich, Sir!«
Als am Morgen des 4. Mai 3586 Julian Tifflor sein Arbeitszimmer betrat, fand er eine Memozeile von Danton vor. Der Inhalt war schwerwiegend. Roi hatte allerdings nur Fakten mitgeteilt und keine Erklärung gegeben.
Tifflor rief einen seiner Ratgeber, den zuverlässigsten von allen: Henry den Zweiten, einen Roboter vom Typ Vario-211.
Henry war hochgewachsen. Glatze, wässrige Augen und dümmliches Gesicht vermittelten den Eindruck, als könne er kein Wässerchen trüben. In seiner früheren Erscheinungsform, als Henry der Erste, hatte der Vario zu viel weibliches Interesse erregt. Tifflor hatte sich deshalb gezwungen gesehen, die äußere Erscheinung seines Beraters zu verändern.
»Du siehst ernst aus«, bemerkte Henry, der die Angewohnheit hatte, den Ersten Terraner beim Vornamen zu nennen und ihn zu duzen, solange niemand anders zuhörte.
»Der Oberste Terranische Rat hat uns verlassen.«
»Du meinst, er ist durchgebrannt?«
»Ich weiß nicht, wie du zu dieser Formulierung kommst …«
»Ich habe dir zugehört, als du dir über Dantons eigenartige Verfassung Gedanken machtest. Er hängt an dieser Dunja Varenczy und hat es nicht verwunden, dass sie tatsächlich mit der BASIS fliegt. Du sagtest selbst, es sei zu befürchten, dass er seinen Kram zusammenpacke und hinter dem Weibsbild herlaufe.«
Tifflor winkte ab. »Ich sollte allmählich lernen, in deiner Gegenwart keine Selbstgespräche zu führen. Wie dem auch sei, Roi ist fort. Er hat die Erde an Bord der BAIKO heute Morgen kurz nach drei Uhr allgemeiner Zeit verlassen. Wir sind der Öffentlichkeit eine Erklärung schuldig, warum der Oberste Terranische Rat seinen Verpflichtungen nicht nachkommen kann.«
Henry der Zweite nickte. Ein ausgesprochen dümmliches Lächeln spielte auf seinem breiten Gesicht. »Ich habe schon den Text der Mitteilung: Oberster Terranischer Rat greift eigenhändig in das Dilemma der BASIS ein!«
»Du übersiehst eines. Das Dilemma der BASIS, wie du es nennst, wird eines Tages vorüber sein. Wenigstens hoffen wir das. Dann wird die BASIS wieder Fahrt aufnehmen und Tschuschik ansteuern.«
»Ja – und?«
»Roi wird nicht zurückkehren. Er bleibt an Bord der BASIS, weil Dunja dort ist!«
Henry gab ein meckerndes Lachen von sich. »Ach das … Das stört uns nicht. Heute müssen wir den Leuten erklären, warum Roi Danton zur BASIS geflogen ist. In ein paar Tagen müssen wir uns eine neue Erklärung dafür einfallen lassen, warum er an Bord der BASIS bleibt.«
Tifflor musterte den Roboter ernst. »Henry, du machst mir Angst«, sagte er schließlich. »Wer dir zuhört, könnte auf den Gedanken kommen, dass Politiker weiter nichts zu tun haben, als sich Lügen auszudenken.«
Mitten in der Nacht erwachte Demeter aus unruhigem Schlaf. Sie starrte in die Finsternis und versuchte, sich an ihre Träume zu erinnern. Aber nichts war
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